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Köln/Karlsruhe. Am kommenden Donnerstag (9. Januar) geht ein richtungweisender Rechtsstreit, in dem das Bundesministerium der Verteidigung die Bundesrepublik Deutschland als Klägerin vertritt, in die nächste Runde. Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe hat über die Frage zu entscheiden, ob die Veröffentlichung militärischer Lageberichte unter Berufung auf das Urheberrecht untersagt werden kann.

Die Klägerin – das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) – lässt wöchentlich einen militärischen Lagebericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr und Entwicklungen im Einsatzgebiet erstellen. Die Berichte werden unter der Bezeichnung „Unterrichtung des Parlaments“ (UdP) an ausgewählte Abgeordnete des Bundestages, an Referate im Wehrressort und in anderen Bundesministerien sowie an Dienststellen, die dem Verteidigungsministerium nachgeordnet sind, versandt.

Sie sind als Verschlusssache „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) eingestuft. Daneben veröffentlicht das BMVg auch gekürzte Fassungen der UdP als „Unterrichtung der Öffentlichkeit“ (UdÖ).

Ein Notnagel gegen unliebsame Veröffentlichungen?

Die Beklagte ist die Funke Medien NRW GmbH, auch Funke Medien genannt (Funke Medien ist ein wesentlicher Bestandteil der übergeordneten Funke Mediengruppe und Dachmarke für diverse Medien, Services und Geschäftsfelder in und für Nordrhein-Westfalen). Funke Medien betreibt unter anderem das Onlineportal der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Die WAZ ist Deutschlands größte Regionalzeitung und der Ursprung der heutigen Funke Mediengruppe.

Im Jahr 2012 beantragte die Beklagte unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die Einsichtnahme in sämtliche UdP-Berichte aus der Zeit zwischen dem 1. September 2001 und dem 26. September 2012. Nach Ablehnung des Antrags gelangte die WAZ auf unbekanntem Weg an einen Großteil der Bundeswehr-Berichte und veröffentlichte diese unter der Bezeichnung „Afghanistan-Papiere“ als eingescannte Einzelseiten im Internet.

Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, weil „die Veröffentlichung ihr Urheberrecht an den Berichten“ verletze (die Juristen der Informationsplattform iRights.info bewerteten dieses Vorgehen später wie folgt: „Das Verteidigungsministerium ging mit dem Urheberrecht gegen die Veröffentlichung vor – und nährte den Eindruck, es als Notnagel gegen unliebsame Veröffentlichungen zu missbrauchen“).

Nach Androhung einer Zwangsvollstreckung entfernte die WAZ die Papiere schließlich „kurzfristig von den Onlineportalen der Mediengruppe“. Sie vertritt aber nach wie vor die Auffassung, eine mögliche Urheberrechtsverletzung müsse noch einmal gegen Grundrechte wie die Presse- und Informationsfreiheit, die eine Veröffentlichung dennoch rechtfertigen könnten, abgewogen werden.

Europäischer Gerichtshof gibt die Richtung vor

Am Anfang des bisherigen Prozessverlaufs steht das Urteil des Landgerichts Köln vom 2. Oktober 2014, mit dem der Klage des Ministeriums stattgegeben wurde (Az. 14 O 333/13). Die Berufung der Beklagten blieb danach ohne Erfolg (Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 12. Juni 2015, Az. 6 U 5/15). Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag nun weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 1. Juni 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat über diese Fragen durch Urteil vom 29. Juli 2019 entschieden (Az. C-469/17 – Funke Medien). Das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union stellte im Verfahren um die „Afghanistan-Papiere“ klar, dass die Informations- und die Pressefreiheit außerhalb der in der Urheberrechtsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen keine Abweichung von den Urheberrechten rechtfertigen könnten. Nationale Gericht müssten bei militärischen Lageberichten vor allem prüfen, ob die Voraussetzungen für ihren urheberrechtlichen Schutz erfüllt seien, ehe geprüft werde, ob ihre Nutzung unter diese Ausnahmen oder Beschränkungen fallen könne.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird nun am 9. Januar ab 10 Uhr in Karlsruhe die mündliche Verhandlung fortsetzen.


Unser Bild zeigt den Sitzungsraum des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vor einer Verhandlung. Die Aufnahme wurde am 31. Oktober 2018 gemacht.
(Foto: Steffen Prößdorf/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY-SA 4.0 –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)

Kleines Beitragsbild: Gegenstand der juristischen Auseinandersetzung zwischen der Funke Medien NRW GmbH und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Verteidigung, sind die sogenannten „Afghanistan-Papiere“. Unsere Bildmontage zeigt Seiten aus den strittigen UdP-Berichten, die für einige Zeit ins Netz gestellt worden waren.
(Bildquelle: BMVg-Berichte „Unterrichtung des Parlaments“;
Bildmontage: mediakompakt)


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