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Strausberg/Fritzlar/Le Luc (Frankreich). Die Bundeswehr hat am vergangenen Freitag (2. August) auf einen Warnhinweis der Industrie reagiert und Startverbot für all ihre 53 Tiger-Kampfhubschrauber erteilt. Der Mitteilung des Hubschrauber-Herstellers zufolge könnten „bestimmte Bolzen, die im Tiger verbaut sind, einen Mangel aufweisen“. So formulierte es das Presse- und Informationszentrum des deutschen Heer in seiner heutigen Pressemitteilung zum Grounding der Tiger-Flotte. Zuvor waren mit einem gesonderten Schreiben des Ministeriums die Obleute des Verteidigungsausschusses in Kenntnis gesetzt worden.

Das deutsche Heer weist in der Pressemitteilung ausdrücklich darauf hin, dass Sicherheit für die Bundeswehr oberste Priorität habe. Deshalb habe der General Flugbetrieb Heer – seit dem 29. Februar 2016 ist dies bei der Division Schnelle Kräfte Brigadegeneral Gert Gawellek – den Flugbetrieb mit dem Tiger auch sofort vorläufig ausgesetzt.

Von der Sperrung betroffen sind nach Heeresangaben die Maschinen im Kampfhubschrauberregiment 36 in Fritzlar und die im Deutsch-Französischen Heeresfliegerausbildungszentrum im südfranzösischen Le Luc. Momentan nehmen die Kampfhubschrauber Tiger nicht an Auslandsmissionen der Bundeswehr teil. Zuletzt flogen sie im Rahmen des MINUSMA-Einsatzes der Vereinten Nationen in Mali.

Flugsicherheitsausschuss berät über das weitere Vorgehen

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE soll es sich bei dem kritischen Bauteil „um einen Bolzen der Rotorsteuerung (Main Rotor Control)“ handeln. SPIEGEL-Redakteur Matthias Gebauer hatte zudem in Erfahrung bringen können: „Manche dieser Bauteile aus Titan weisen laut Hersteller Airbus Helicopters möglicherweise eine Wasserstoffversprödung auf und könnten während des Flugs brechen. Laut Insidern könnte ein Bruch während des Fluges im schlimmsten Fall zum Absturz des Hubschraubers führen.“

Alle deutschen Tiger-Helikopter sollen nun vor ihrem nächsten Einsatz gründlich überprüft werden. Falls nötig, sollen schadhafte Bolzen ausgetauscht werden. Wie es im Text des Presse- und Informationszentrums der Teilstreitkraft weiter heißt, wurde auch festgestellt, „dass Bolzen dieser Bauart auch im Transporthubschrauber NH90 sowie im Schulungshubschrauber EC135 verbaut sind, aber nicht an sicherheitsrelevanten Stellen.“ Der Flugbetrieb mit NH90 und EC135 laufe deshalb – im Gegensatz zum Tiger – auch weiter.

Zur Klärung des weiteren Vorgehens hat Brigadegeneral Peter Klement, seit dem 9. September 2013 General Flugsicherheit in der Bundeswehr, für den morgigen Donnerstag (8. August) eine Expertenrunde, den sogenannten Flugsicherheitsausschuss, einberufen.

Umrüstung auf die im Auslandseinsatz bewährte ASGARD-Variante

Der mehrrollenfähige Tiger-Kampfhubschrauber (auch Unterstützungshubschrauber/UH genannt) dient der Zusammenarbeit mit Bodenkräften, der Aufklärung und Bekämpfung von Bodenzielen aller Art auch bei Nacht und eingeschränkter Sicht sowie dem Begleitschutz für Hubschrauber.

Die Bundeswehr hat 53 Maschinen im Bestand, von denen noch zwei für die Ausphasung vorgesehen sind. Zwischenzeitlich wurde die Entscheidung getroffen, die Flottengröße mit 51 Tiger-Hubschraubern festzulegen. Zur weiteren Vereinheitlichung der Bauzustände in der Tiger-Flotte wird die Umrüstung von 33 Hubschrauber auf den einheitlichen, zunächst im Afghanistaneinsatz bewährten Bauzustand ASGARD vorangetrieben (ASGARD = Afghanistan Stabilisation German Army Rapid Deployment). Der letzte (68.) Serienhubschrauber wurde am 25. Juli 2018 ausgeliefert. Damit hatte das Projekt „UH Tiger“ die Realisierungsphase planmäßig abgeschlossen.

Trinationales Zukunftsprojekt „Tiger MkIII“

Zum Erhalt der operationellen Einsatzfähigkeit über die Nutzungsdauer bis 2038 und darüber hinaus soll der Tiger auf Beschluss des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrates vom 13. Juli 2017 in einer Kooperation mit Frankreich und Spanien weiterentwickelt werden. Das trinationale Projekt „Mid-Life Upgrade“ (MkIII) soll in der Schrittfolge „De-Risking – Development – Retrofit“ realisiert werden. Die Verfügbarkeit des ersten deutschen Tiger MkIII ist für Ende 2026 gefordert (siehe auch hier).

Im „9. Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten“ (Teil 1) vom Juni dieses Jahres findet sich auch eine interessante Passage zum Thema „Einsatzbereitschaft“. Dort lesen wir: „Den im Jahr 2018 erreichten leicht positiven Trend bei der materiellen Einsatzbereitschaft des Waffensystems Tiger gilt es nunmehr nachhaltig zu verstetigen und zu steigern. Im Wesentlichen basiert dieser Trend auf den ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Einsatzreife, der Vereinheitlichung der Bauzustände sowie den Maßnahmen zur Reduzierung der Wartungsintensität. Darüber hinaus wurden Maßnahmen eingeleitet, um die luftfahrzeugtechnischen Kapazitäten in der Truppe und bei der systembetreuenden Industrie zu verstärken. Damit wurden die Grundlagen geschaffen, die Verfügbarkeit einsatzbereiter Waffensysteme und damit einhergehend ,realer‘ Flugstunden für die Aus- und Weiterbildung von Luftfahrzeugbesatzungen zu steigern.“

Die begonnene Tiger-Umrüstung auf den einheitlichen Bauzustand ASGARD werde die Verfügbarkeit dieser einsatzoptimierten Waffensysteme für die Aus- und Weiterbildung der Luftfahrzeugführer beziehungsweise für Einsätze erhöhen, glaubt das Verteidigungsministerium. Dort wird man sicherlich den SPIEGEL-Hinweis, dass von 53 Kampfhubschraubern des Typs Tiger „im vergangenen Jahr durchschnittlich nur 11,6 einsatzbereit“ waren, nicht gerne lesen …

Redaktioneller NACHBRENNER

Wie das Presse- und Informationszentrum des Heeres am Freitag (9. August) in einer Presse-Info mitteilte, soll der Flugbetrieb mit dem Tiger voraussichtlich in dieser Woche (ab dem 12. August) „sukzessive“ wieder aufgenommen werden. Die Bolzen in den Maschinen, die an sicherheitsrelevanten Stellen verbaut sind und Mängel aufweisen, werden – so der Pressetext – aufgrund eines Beschlusses des Flugsicherheitsausschusses umgehend ausgetauscht.

Die für den Austausch notwendigen Ersatzbolzen seien ausreichend verfügbar, heißt es in der Mitteilung an die Medien weiter. Die Austauscharbeiten hätten bereits begonnen. Weitere baugleiche Bolzen, die nicht an sicherheitsrelevanten Stellen beim Tiger und beim NH90 verbaut seien, würden nach und nach im Zuge routinemäßiger Wartungs- und Inspektionsmaßnahmen ersetzt.

Das deutsche Heer bestätigte, dass der Flugbetrieb mit den Hubschraubern des Typs NH90 und EC135 nach wie vor unverändert weiterläuft.


Das Bild zeigt den zweisitzigen Kampfhubschrauber Tiger der Bundeswehr.
(Foto: Marco Dorow/Presse- und Informationszentrum des Heeres)


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