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München. Der am heutigen Donnerstag (21. November) veröffentlichte „Landminen-Monitor“ berichtet das vierte Jahr in Folge über außergewöhnlich hohe Unfallzahlen mit Landminen und Blindgängern. Der aktuelle Monitor verzeichnet für das Jahr 2018 insgesamt 6897 getötete und verletzte Menschen, wobei die Dunkelziffer wesentlich höher ist. Auffällig ist insbesondere, dass 3789 Menschen durch improvisierte Minen getötet oder verletzt wurden – dies ist die höchste jemals für den „Landmine Monitor“ ermittelte Größe.

Das Zahlenwerk wird regelmäßig herausgegeben vom globalen Netzwerk „Internationale Kampagne zum Verbot von Landminen“ („International Campaign to Ban Landmines“, ICBL) in enger Zusammenarbeit mit dem internationalen Bündnis von Menschenrechtsorganisationen, Vereinigungen und Initiativen gegen Streumunition, der „Cluster Munition Coalition“ (CMC).

Hier engagiert sich auch „Handicap International“ (HI). Die Organisation „kämpft auf völkerrechtlicher Ebene gegen die Missachtung der Menschenrechte, den Gebrauch von Landminen und Streubomben sowie Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung“. HI ist eines der sechs Gründungsmitglieder der ICBL, die 1997 den Friedensnobelpreis erhielt.

Blutige Konflikte in Afghanistan, Libyen, Nigeria und Syrien

Wie HI in einer Pressemitteilung zur Präsentation des „Landminen-Monitor 2019“ erklärt, sind die hohen Opferzahlen hauptsächlich auf Konflikte in Afghanistan, Libyen, Nigeria und Syrien zurückzuführen. Die Organisation fordert deshalb vor diesem Hintergrund alle Staaten, die den vor 20 Jahren in Kraft getretenen Ottawa-Vertrag über das Verbot von Landminen unterzeichnet haben, nun zum Handeln auf. Das humanitäre Völkerrecht müsse endlich durchgesetzt und Druck auf die Kriegsparteien ausgeübt werden, so HI, „um den Einsatz dieser menschenverachtenden Waffen zu beenden“.

Das völkerrechtliche „Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung“ (Ottawa-Vertrag, Ottawa-Konvention oder Mine Ban Treaty) trat am 1. März 1999 in Kraft. In wenigen Tagen – vom 25. bis 29. November – treffen sich die Vertragsstaaten im norwegischen Oslo zu einer Überprüfungskonferenz.

Zahl der Opfer in den letzten vier Jahren nahezu verdoppelt

Der heute vorgestellte Bericht „Landminen-Monitor 2019“ erfasst die Wirkung des Ottawa-Vertrages zum Teil bis November 2019, soweit Daten verfügbar waren. Der Bericht zeigt, dass die Zahl der neuen Opfer von fabrikgefertigten oder selbstgebauten Antipersonenminen und explosiven Kriegsresten im vierten Jahr in Folge hoch bleibt (6897 im Jahr 2018, 7253 im Jahr 2017, 9439 im Jahr 2016 und 6971 im Jahr 2015).

Die Anzahl der Opfer hat sich zwischen 2014 und 2018 nahezu verdoppelt (6897 neue Opfer im Jahr 2018 gegenüber 3998 im Jahr 2014). Im Jahr 2014 verzeichnete der „Landmine Monitor“ durchschnittlich etwa zehn getötete oder verletzte Menschen pro Tag; 2018 verdoppelte sich die Rate. Zahlreiche Opfer konnten auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht erfasst werden.

Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von „Handicap International Deutschland“ zu den aktuellen Ergebnissen: „Der Ottawa-Vertrag hat dazu geführt, dass der Einsatz von Landminen und die Anzahl der Opfer stark zurückgegangen sind. Aber in den letzten Jahren erleben wir einen alarmierenden Anstieg bei der Verwendung von Minen, was zu einer nicht hinnehmbaren Opferzahl geführt hat. Unsere Arbeit gegen Landminen ist noch nicht beendet. Wir müssen die Anwendung des Ottawa-Vertrags verteidigen, uns für die Unterstützung der Opfer einsetzen und uns angesichts improvisierter Landminen neuen Herausforderungen stellen.“

Und immer wieder trifft es Kinder und Jugendliche

Die meisten Menschen, die durch Antipersonenminen getötet oder verletzt werden, sind Zivilisten – 2018 waren dies 71 Prozent der Opfer, davon 54 Prozent Kinder. Die meisten neuen Unfälle gab es in Afghanistan (2234), Myanmar (430), Syrien (1465), der Ukraine (325) und im Jemen (596). Weltweit wurden in 50 Staaten und Gebieten Unfälle mit Minen und Blindgängern registriert.

Der „Landminen-Monitor 2019“ bestätigte auch einen erneuten Einsatz von Antipersonenminen durch Regierungskräfte in Myanmar zwischen Oktober 2018 und Oktober 2019. Das Land hat den Minenverbotsvertrag nicht unterzeichnet. Und auch nichtstaatliche Gruppen setzten in mindestens sechs Ländern Antipersonenminen, einschließlich selbstgebauter Minen, ein: in Afghanistan, Indien, Myanmar, Nigeria, Pakistan und im Jemen.

In diesem Jahr verzeichnet der Bericht die höchste Anzahl von Opfern selbstgebauter Minen seit der Erstveröffentlichung im Jahr 2000. Insgesamt 3789 Menschen wurden 2018 durch solche Konstruktionen getötet oder verletzt. Das entspricht 54 Prozent der Gesamtopferzahl (6897).

Hoffen auf eine „weitgehend minenfreie Welt bis 2025“

Der Einsatz von Minen hat zu einer Kontaminierung geführt, die langfristig das Leben Tausender gefährdet. Insgesamt sind mehr als 60 Staaten und Gebiete weltweit mit Minen und explosiven Kriegsresten verseucht. Nur durch eine rasche Räumung können Unfälle vermieden werden.

„Handicap International“ appelliert: „In den meisten verminten Ländern ist die Beseitigung der Minen in den nächsten Jahren möglich, wenn die betroffenen Staaten, Geldgeber und erfahrene Organisationen der Minenaktion effektiv zusammenarbeiten. Die Vertragsstaaten der Ottawa-Konvention haben sich das Ziel gesetzt, eine weitgehend minenfreie Welt bis 2025 zu erreichen.“


Hintergrund                           

Die Ottawa-Konvention verbietet Einsatz, Produktion, Lagerung und Weitergabe von Antipersonenminen (APM). Die Konvention schreibt die Vernichtung von Lagerbeständen innerhalb von vier Jahren und die Räumung minenverseuchter Gebiete innerhalb von zehn Jahren vor. Außerdem sollen finanzielle Mittel für die Minenopferhilfe bereitgestellt werden. Von Minen nicht betroffene Staaten sollen laut dem Abkommen minenverseuchten Staaten bei der Minenräumung helfen.

Bis in die 1990er-Jahre gab es weltweit nur halbherzige Beschränkungen für APM. Zu dieser Zeit lauerten in rund 70 Ländern an die 100 Millionen Minen auf Feldern, Wegen oder in Wüsten – oft als Hinterlassenschaft von Kriegen, die schon seit Jahrzehnten vorbei sind.

Das internationale Übereinkommen über ein Totalverbot von Antipersonenminen geht auf die Initiative des österreichischen Diplomaten Werner Ehrlich zurück. Im April 1996 erstellte er privat den ersten Entwurf einer Konvention. Im Oktober desselben Jahres diskutierten die Teilnehmer einer internationalen Konferenz im kanadischen Ottawa über ein Totalverbot von APM. Nach vielen Debatten wurde Österreich beauftragt, eine Konvention auszuarbeiten. Die Grundlage war Ehrlichs Entwurf.

Die erste Verhandlungsrunde interessierter Staaten und Organisationen zum Verbot von APM fand in Wien statt. Nach weiteren Konferenzen in Bonn, Brüssel und Oslo wurde die Übereinkunft über ein APM-Totalverbot am 18. September 1997 von 89 Staaten als völkerrechtlicher Vertrag angenommen. Auf der abschließenden diplomatischen Konferenz von Ottawa im Dezember 1997 unterzeichneten 121 Staaten die Übereinkunft. Die Ottawa-Konvention benötigte 40 Ratifizierungen, um in internationales Recht umgesetzt werden zu können. Im September 1998 war es soweit. Der Vertrag wurde am 1. März 1999 gültig.

Bis Januar 2018 wurde die Konvention von 164 Staaten ratifiziert (Stand März 2018). Die großen Militärmächte – USA, Russland, China oder Indien – waren in Ottawa nicht dabei; sie haben bis heute die Übereinkunft nicht unterzeichnet.


Zu unserem Bildangebot:
1. Das Hintergrundbild zeigt Rabih Zein, der seit 2013 als Entminer im Norden des Libanon arbeitet. Einmontiert ist das Cover des diesjährigen „Landminen-Monitor“, der am 21. November 2019 erschienen ist.
(Foto: O. van den Broeck/Handicap International; Bildmontage mediakompakt)

2. Grafik, übernommen aus dem „Landmine Monitor 2019“. Dargestellt sind die Gebiete unserer Erde, die nach Erkenntnissen von Fachleuten durch Antipersonenminen und improvisierte Minen kontaminiert sind.
(Bild: Handicap International)

Kleines Beitragsbild: Minenräumpersonal in der Wüste des Nord-Tschad auf dem Weg zu ihrem gefährlichen Einsatz.
(Foto: Gilles Lordet/Handicap International)


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