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Berlin. Mit seinem Namen ist der Begriff „Armee der Einheit“ auf das Engste verbunden, ja er war ein „Botschafter der Einheit“ schlechthin. Mit einer Trauerfeier im evangelischen Dom in Berlin und mit militärischem Ehrengeleit der Bundeswehr wurde am heutigen Freitag (22. Februar) der frühere Innensenator von Brandenburg, Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung und Heeresinspekteur Jörg Schönbohm verabschiedet. Seine Partei, die Brandenburger CDU, hatte ihren Ehrenvorsitzenden am 8. Februar in einem Nachruf mit den Worten gewürdigt: „Seine Verdienste als Bundeswehrgeneral um die Deutsche Einheit und als Politiker um das Land Brandenburg machen ihn als einen der großen Deutschen der Nachkriegsgeschichte unvergessen.“ Schönbohm war am 7. Februar im Alter von 81 Jahren in Kleinmachnow bei Berlin verstorben.

Heute hatten sich im Berliner Dom Angehörige, Freunde und Weggefährten eingefunden, um Abschied von Jörg Schönbohm zu nehmen. Die Öffentlichkeit war auf Wunsch der Familie zur Trauerfeier zugelassen. An dem Gottesdienst nahmen neben zahlreichen Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Kirchen unter anderem Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sowie die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer teil.

Mit Jörg Schönbohm, dem langjährigen Innenminister Brandenburgs, habe das Land „einen Staatsdiener von preußischer Statur“, einen Mann mit Haltung und einen Konservativen „im besten bürgerlichen Sinne“ verloren, sagte Schäuble in seiner Trauerrede im Dom. Als „Persönlichkeit mit Ecken und Kanten“ habe sich der CDU-Politiker, für den „Toleranz als friderizianische Tugend“ Teil der demokratischen Grundwerte gewesen sei, auch bei politischen Gegnern Anerkennung verdient.

Stets für das Zusammenwachsen von Ost und West eingesetzt

Bereits am 8. Februar hatte Schäuble in einem Kondolenzbrief an die Witwe Schönbohms den Verstorbenen als eine Persönlichkeit gewürdigt, die als Soldat und Politiker einen entscheidenden Beitrag zur inneren Einheit Deutschlands geleistet habe. Schönbohm habe sich zeitlebens als „Diener unseres Staates verstanden“, so der Bundestagspräsident in seinem Schreiben weiter. Nach der Wiedervereinigung sei ihm als „General der Einheit“ die Integration der verbliebenen Soldaten der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr gelungen. Das Zusammenwachsen von Ost und West sei ihm später auch in seinen politischen Ämtern in Berlin und Brandenburg besonders am Herzen gelegen.

Schäuble hatte seinen Kondolenzbrief mit den Worten beendet: „Wir verlieren mit Jörg Schönbohm einen streitbaren Christdemokraten mit eigenem Profil. Sein Wort und sein Wirken waren geprägt von seinem preußischen Pflichtbewusstsein, seiner klaren Haltung und seinen unerschütterlichen Wertevorstellungen – als Protestant und als Patriot, als Konservativer im besten Sinne.“

Bereits unmittelbar nach dem Abitur zur Artillerietruppe

Jörg Schönbohm, der am 2. September 1937 in Neu Golm bei Bad Saarow geboren wurde, konnte vor Beginn seiner politischen Karriere auf eine lange militärische Laufbahn in der Bundeswehr zurückblicken.

Diese hatte am 1. April 1957 – kurz nach dem Abitur – mit Dienstantritt als Offizieranwärter bei der Artillerietruppe in Niederlahnstein bei Koblenz begonnen. Ab 1959 folgten Verwendungen als Zugführer im Panzerartilleriebataillon 55 in Homberg (Efze), im Raketenartilleriebataillon 22 in Eschweiler und als Hörsaaloffizier an der Heeresoffizierschule I in Hannover. Von 1964 bis 1968 diente Schönbohm im Feldartilleriebataillon 11 in Hannover als Batteriechef.

1968 wurde der Heeresoffizier nach Hamburg versetzt und absolvierte an der Führungsakademie der Bundeswehr bis zum Jahr 1970 die Generalstabsausbildung.

Stabs- und Truppenverwendungen plus Stationen im Ministerium

Schönbohms weitere nationale und internationale Verwendungen führten ihn danach zunächst nach Oldenburg. Dort war er bis 1973 Personalstabsoffizier (G1) der 11. Panzergrenadierdivision. Danach wurde der Brandenburger in das niederländische Brunssum versetzt und diente dort bis 1975 unter General Ernst Ferber als Generalstabsoffizier für Gefechtsübungen im Hauptquartier der Allied Forces Central Europe der NATO. Nach diesen Stabsverwendungen folgte von 1975 bis 1978 wieder ein Truppenkommando, diesmal als Kommandeur des Panzerartilleriebataillons 85 in Lüneburg.

Anschließend wurde Jörg Schönbohm nach Bonn versetzt und diente dort als Referent in der Personalabteilung des Bundesministeriums der Verteidigung. 1979 wurde er im Ministerium Referatsleiter im Führungsstab der Streitkräfte unter Generalinspekteur Jürgen Brandt und nach dem Amtsantritt des neuen Verteidigungsministers Manfred Wörner im Oktober 1982 dessen Adjutant.

Von Oktober 1983 bis März 1985 übernahm Schönbohm, inzwischen zum Brigadegeneral befördert, das Kommando über die Panzerbrigade 21 in Augustdorf. Zurück in Bonn diente er von 1985 bis 1988 abermals unter Wörner, diesmal als Stellvertretender Leiter des Planungsstabs im Verteidigungsministerium.

Im April 1988 wurde der Heeresoffizier in Buxtehude Kommandeur der 3. Panzerdivision und führte diese bis Januar 1989. Im Anschluss daran leitete er für anderthalb Jahre, mittlerweile im Range eines Generalleutnants, unter Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg den Planungsstab in Bonn.

Schönbohms Meisterstück war die „Armee der Einheit“

Im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung wurde Generalleutnant Jörg Schönbohm am 3. Oktober 1990 zum Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost in Strausberg ernannt. Sein Auftrag war es, die Auflösung der rund 90.000 Mann starken Nationalen Volksarmee (NVA) der früheren DDR zu koordinieren und die verbliebenen Soldaten „Ost“ in die Bundeswehr zu integrieren.

Die Auflösung der NVA und die Übernahme und Eingliederung zahlreicher Ehemaliger in die gesamtdeutschen Streitkräfte – die „Armee der Einheit“ – gilt als Meisterstück Schönbohms. Seine gelebte Devise damals lautete: „Wir kommen nicht als Sieger zu Besiegten, sondern als Deutsche zu Deutschen“.

Bei der Trauerfeier am heutigen Freitag im Berliner Dom erinnerte Generalleutnant Jörg Vollmer, der Heeresinspekteur, an die verdienstvolle Rolle Schönbohms vor gut drei Jahrzehnten. Dieser habe die Bundeswehr als „Schule der wiedervereinigten Nation“ begriffen, in den von Ost nach West und umgekehrt versetzten Wehrpflichtigen habe er „Botschafter der Einheit“ gesehen.

Hauptmann a.D. Uwe Köpsel, Landesvorsitzender Ost im Deutschen Bundeswehr-Verband (DBwV), sagte: „Jörg Schönbohm hat sich in unschätzbarer Weise um die deutsche Einheit verdient gemacht. Dass aus zwei deutschen Armeen in so kurzer Zeit eine Armee der Einheit wurde, ist seinem Wirken zu verdanken. Den Anliegen der Soldaten der ehemaligen NVA stand er immer aufgeschlossen gegenüber.“

Antrittsbesuch in Wünsdorf bei der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte

Der Autor dieses Beitrages, lange Zeit Redakteur beim DBwV, kannte den Namen „Jörg Schönbohm“ in jenen Jahren durch die eigene Berichterstattung über die Bildung gesamtdeutscher Streitkräfte nur allzu gut. Die Interessenvertretung der Soldaten stand damals mit dem „General der Einheit“ und dessen Bundeswehrkommando Ost in engem Informationsaustausch. Dabei blieb es auch, als Schönbohm am 27. September 1991 zum Inspekteur des Heeres ernannt und am 18. Februar 1992 – nach seiner Pensionierung – von Verteidigungsminister Stoltenberg zum beamteten Staatssekretär für Sicherheitspolitik, Bundeswehrplanung und Rüstung berufen wurde (diesen Posten nahm Schönbohm unter Stoltenberg und dessen Nachfolger Volker Rühe bis 1996 wahr).

Eng mit Schönbohm verbunden ist der 31. August 1994 in Berlin. Es ist der Tag des Abzugs der letzten Soldaten der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte (WGT) aus Deutschland. Schönbohm hat hierfür das Fundament mitgegossen.

Knapp drei Wochen nach seiner Ernennung zum Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost war Generalleutnant Schönbohm erstmals Gast im Hauptquartier der Westgruppe in Wünsdorf. Zentrales Thema seines Antrittsbesuchs an diesem 25. Oktober 1990: die künftige Zusammenarbeit bei der „Realisierung des Vertragswerks über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland bis 1994“. In der Folge konnte Schönbohm – dann gemeinsam mit Generalmajor Hartmut Foertsch, dem Beauftragten der Bundesregierung für den zeitweiligen Aufenthalt und planmäßigen Abzug der WGT – ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Gesprächspartnern aufbauen. Dies betraf vor allem Generaloberst Matwej Burlakow, seit dem 13. Dezember 1990 Oberkommandierender der in Deutschland verbliebenen sowjetischen Truppen (später ab Dezember 1991 dann Truppen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, kurz GUS).

„Deutschland, wir reichen Dir die Hand und kehr’n zurück ins Vaterland“

Am 31. August 1994 nun wartete der Autor mit vielen Pressekollegen aus dem In- und Ausland am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park, der zentralen Gedenkstätte für gefallene Soldaten der Roten Armee. Es war das gespannte Warten auf einen historischen Augenblick. 1000 russische Soldaten der 6. Garde-Mot.-Schützenbrigade (auch bekannt als „Berlinskaja“) sowie 600 Soldaten des Wachbataillons der Bundeswehr waren an diesem heißen Mittwoch zum gemeinsamen Totengedenken angetreten. Bundeskanzler Helmut Kohl und Russlands Präsident Boris Jelzin legten nach kurzen Ansprachen Kränze nieder. Soldaten beider Nationen bildeten gemeinsam eine Marschformation. Die Russen sangen in beiden Sprachen „Deutschland, wir reichen Dir die Hand und kehr’n zurück ins Vaterland“.

Noch Anfang 1991 war die WGT in der ehemaligen DDR mit fast 338.000 Soldaten sowie 208.000 zivilen Angestellte und Familienangehörigen vertreten gewesen. Rund 4000 Kampfpanzer, 8000 Panzerfahrzeuge, 3500 Artilleriesysteme sowie je 600 Flugzeuge und Hubschrauber waren dort stationiert. Dreieinhalb Jahre später endete mit der Abschiedsparade der WGT-Truppen im Treptower Park in Berlin ein weltgeschichtliches Kapitel, an dessen positivem Ausgang auch ein Bundeswehroffizier mitgewirkt hatte. Auch der friedliche Abzug der Westgruppe der Truppen der russischen Armee ist für immer mit Schönbohm verbunden.

Zehn Jahre lang Innenminister des Bundeslandes Brandenburg

Nach der militärischen Karriere und der anschließenden Tätigkeit als Staatssekretär im Verteidigungsministerium wechselte Jörg Schönbohm schließlich in die Politik. Dazu schreibt der Landesverband Brandenburg der CDU: „Er war ein Leben lang ein politischer Mensch, doch zum Politiker wurde Jörg Schönbohm erst spät. Er kehrte Ende der 1990er-Jahre in die Mark zurück [und] übernahm den Vorsitz einer damals sehr zerstrittenen CDU Brandenburg.“

Der Nekrolog erinnert: „Es gelang ihm nicht nur, diese tiefen Gräben zu schließen, er führte unsere Partei auch als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 1999 zum ersten Mal überhaupt in die Regierung. Jörg Schönbohm wurde Innenminister und blieb es zehn Jahre lang. Als Stellvertretender Ministerpräsident war er eine der wenigen wichtigen Stimmen der Brandenburger Politik auf Bundesebene. Politischen Schlachten ist er nie aus dem Weg gegangen. Als Konservativer, der Werte und Tugenden mit Überzeugung lebte, galt für ihn stets: offenes Visier und klare Kante, aber immer auch Respekt vor dem politischen Gegner.“ Zu den Erfolgen Schönbohms in Brandenburg zählen eine Gemeinde- und eine Polizeireform. Die Landes-CDU würdigte ihn mit dem Ehrenvorsitz der Partei.

Im Anschluss an den Trauergottesdienst wurde der Sarg des verstorbenen Generals und Politikers mit militärischem Ehrengeleit von Soldaten des Wachbataillons unter den Klängen des Stabsmusikkorps in Berlin aus dem Dom getragen. Jörg Schönbohm war seit 1959 mit Ehefrau Eveline verheiratet; drei Kinder – eine Tochter und zwei Söhne – trauern um ihren Vater.


Unsere historische Aufnahme zeigt Generalleutnant Jörg Schönbohm am 4. Oktober 1990 in Strausberg. Einen Tag nach der Wiedervereinigung Deutschlands übernahm er hier das Amt des Befehlshabers Bundeswehrkommando Ost.
(Foto: Friedrich Gahlbeck/Bundesarchiv/unter Lizenz CC BY-SA 3.0 de –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Kleines Beitragsbild: Porträt Jörg Schönbohm.
(Bild: CDU Landesverband Brandenburg)


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