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Berlin/Hamburg/Elsfleth. Die Elsflether Werft, die immer noch mit der Instandsetzung des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ der deutschen Marine beauftragt ist, hat momentan nur noch schlechte Presse. Am gestrigen Donnerstag (2. Mai) berichtete der Norddeutsche Rundfunk (NDR), dass die neue Leitung des Unternehmens jetzt zwei Gerichtsbeschlüsse erwirkt habe, um das Vermögen der ehemaligen Geschäftsführer zu pfänden. Dies gehe aus Unterlagen hervor, die dem NDR und dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorlägen. Insgesamt handele es sich bei den zu pfändenden Geldern um einen zweistelligen Millionenbetrag, so die Pressemitteilung des Hamburger Senders. Die Elsflether Werft ist mittlerweile insolvent (das Amtsgericht Nordenham stimmte gestern einem Insolvenzverfahren in Eigenregie zu), arbeitet aber an einem tragfähigen Plan, um die „Gorch Fock“ weiter reparieren zu können. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat nun der Werft ein Ultimatum gesetzt.

Den Informationen des NDR zufolge sieht ein Beschluss des Landgerichts Hamburg gegen den ehemaligen Chef der Elsflether Werft, Marcus Reinberg, Pfändungen von bis zu rund 3,9 Millionen Euro vor. Von den Pfändungsmaßnahmen betroffen seien – so der Sender – „private Konten, ein Motorboot, Rentenansprüche und eine Immobilie in der Hamburger Elbchaussee“.

Reinberg war im Januar als Vorstand der Werft abgelöst worden. Die Elsflether Werft Verwaltung GmbH habe das Landgericht Hamburg überzeugen können, dass ihr Ansprüche in der genannten Höhe zustünden, berichtet der NDR.

Gegen den zweiten ehemaligen Vorstand, Klaus Wiechmann, wurde am Landgericht Oldenburg ein Beschluss zur Pfändung von 12,3 Millionen Euro erwirkt. Dazu zitiert der NDR aus den Papieren: „Die Erfüllung des Untreuetatbestandes durch den Antragsgegner unter summarischer Prüfung [liegt] hinreichend nahe.“

Gelder der Werft in Form von Darlehen in andere Firmen gelenkt?

Gegen Reinberg und Wiechmann ermittelt parallel auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen des Verdachts auf Untreue. Auf Nachfrage des NDR zu den Pfändungsbeschlüssen reagierten Reinberg und Wiechmann nicht. Reinberg hatte zu einem früheren Zeitpunkt dem Sender gegenüber seine Unschuld beteuert: „Es gibt da in keiner Weise irgendwelche persönliche Bereicherung. Wenn das so wäre, dann wäre ja das einzig sinnvolle gewesen, diese Gelder an irgendeinem Punkt mal zu mir fließen zu lassen oder zu Herrn Wiechmann.“ Das sei jedoch nicht passiert.

Wie der NDR weiter berichtet, geht der Generalbevollmächtigte der Elsflether Werft Tobias Brinkmann allerdings davon aus, dass sich die ehemaligen Chefs des Unternehmens „persönlich bereichert“ hätten. Nach Aussage von Brinkmann – so zitiert der NDR – sollen Reinberg und Wiechmann Gelder der Werft in Form von Darlehen in andere Firmen gelenkt haben. Firmen, die dem Duo zum Teil selbst gehörten. Man hätte damit eigene Geschäfte verfolgt, dafür jedoch nicht eigenes Geld aufgewendet, sondern das Geld der Werft.

„Das Geld fehlt bei der Werft, um dort notwendige Zahlungsverpflichtungen zu bedienen“, so der Generalbevollmächtigte gegenüber dem NDR. „Und das ist aus keiner Sichtweise von Vorteil für die Werft – die Werft ist keine Bank.“

Den Steuerzahlern mittlerweile schon sehr viel zugemutet

Nach Aussage des neuen Werft-Geschäftsführers Axel Birk belaufen sich die Außenstände auf rund 26 Millionen Euro. Aufgrund des Fehlbetrags hatte die neue Leitung der Elsflether Werft Insolvenz angemeldet. Dem NDR sagte Birk: „Wenn es uns noch gelingt, Gelder zurückzuholen, können wir vielleicht ausgleichen, aber das wissen wir heute nicht. An beiden Fronten müssen wir arbeiten: Geld zurückholen und einen wirtschaftlichen Auftrag abliefern, der am Ende Geld für die Gläubiger erwirtschaftet.“ An dem Plan hängt auch die Zukunft der „Gorch Fock“. Mit der Pfändung sichert sich die Werft die Chance, Geld zurückzubekommen und den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat angekündigt, das Segelschulschiff außer Dienst stellen zu wollen, wenn die Instandsetzung teurer werden sollte, als die bisher prognostizierten 135 Millionen Euro. Die Werft müsse bis zum Sommer mitteilen, ob sie das Schiff zu diesem Preis wieder hochseetauglich machen könne, sagte sie am Montagabend (29. April) bei der Veranstaltung „Berliner Salon“ des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), der Zentralredaktion der Madsack-Mediengruppe.

Die Ministerin versprach, dass man zwar alles daransetzen werde, das „Schiff wieder flottzumachen“, doch sei den Steuerzahlern schon viel zugemutet worden. Sie räumte auch ein, dass bei der ersten Kostenschätzung der Bundeswehr im Jahr 2015 zur „Gorch Fock“-Sanierung schwere Fehler gemacht worden seien. Von der Leyen fügte schließlich hinzu: „Wenn es nicht gelingt, dann wird die ,Gorch Fock‘ ein Museumsschiff sein.“

Die „Gorch Fock“ war Ende 2015 in Bremerhaven ins Trockendock gelegt worden. Die Arbeiten sollten ursprünglich 9,6 Millionen Euro kosten. In den folgenden Monaten kamen weitere Aufträge dazu. Im Dezember vergangenen Jahres zeigte sich ein Preisprüfer des Marinearsenals selbst an. Er soll zwei Darlehen von der Elsflether Werft zu einem niedrigen Zinssatz erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und weitere Personen wegen des Verdachts der Korruption.

Der Bundesrechnungshof hatte das Verteidigungsministerium heftig kritisiert, weil die Bundeswehr vor den Arbeiten keine umfangreiche Untersuchung an der „Gorch Fock“ durchgeführt hat. Die Prüfer kritisieren, dass so die Wirtschaftlichkeit der Arbeiten nie hätten festgestellt werden können (wir berichteten zuletzt am 31. März und 1. April über die „Gorch Fock“-Affäre).

Der Mitte Dezember 2018 von der Ministerin angeordnete Zahlungsstopp ist inzwischen wieder aufgehoben worden. Seit März wird an der „Gorch Fock“ weitergearbeitet.

Redaktioneller NACHBRENNER

Mit ihrer Bemerkung, die „Gorch Fock“ bei weiter steigenden Sanierungskosten in ein Museumsschiff umwandeln zu wollen, hat von der Leyen auch für Unmut gesorgt. Der SPD-Politiker Wolfgang Hellmich, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags, äußerte sich gegenüber dem RND: „Die Ministerin kann nicht einfach entscheiden, wie es mit der ,Gorch Fock‘ nun weitergeht. Das kann nur das Parlament.“ Dieses habe viel Geld bereitgestellt, um das Segelschulschiff der deutschen Marine wieder hochseetauglich zu machen, so Hellmich weiter. Für ein Museum sei dieses Geld sicherlich nicht bestimmt gewesen.

Tobias Lindner, sicherheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, erklärte gegenüber dem bundeswehr-journal: „Dass Ursula von der Leyen offenbar nicht mehr krampfhaft daran festhält, die ,Gorch Fock‘ um jeden Preis sanieren zu wollen, ist erstmal ein Lernerfolg für die Ministerin. Wenn sie es ernst damit meint, ergebnisoffen Sanierung und Neubau vergleichen zu wollen, dann sollte sie endlich die Ratschläge des Bundesrechnungshofs annehmen und durch einen unabhängigen Gutachter die Kosten beider Varianten ermitteln lassen. Eine ,Gorch Fock‘ als Museumsschiff haben wir bereits in Stralsund. Ob wir ein weiteres Exemplar davon benötigen oder es besser ist, den Stahlrumpf einfach abzuwracken, muss ebenfalls untersucht werden.“


Unser Bild zeigt das Hauptgebäude der Elsflether Werft mit dem Schriftzug des Unternehmens. (Foto: nr)

Kleines Beitragsbild: Heckansicht des Segelschulschiffs „Gorch Fock“.
(Foto: nr)


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