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New York/Köln. Am 20. Juni hatten die Vereinten Nationen der Welt wieder einmal den Spiegel vorgehalten: veröffentlicht wurde an diesem Donnerstag der 43 Seiten umfassende „Bericht des Generalsekretärs [zum Schicksal] von Kindern in Konfliktgebieten“. Der globale Report dokumentiert den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2018. In diesen zwölf Monaten waren nach Recherchen der Organisation weltweit mehr als 12.000 Kinder und Jugendliche getötet oder verletzt worden – so viele wie noch nie, seit die Vereinten Nationen die schwersten Menschenrechtsverletzungen gegen Minderjährige systematisch untersuchen.

Am vergangenen Freitag (2. August) debattierte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) nun unter Leitung von Polens Außenminister Jacek Czaputowicz den erschütternden Jahresbericht. Henrietta Fore, die Exekutivdirektorin des VN-Kinderhilfswerks UNICEF, sagte über die Inhalte: „Dieser Report beleuchtet die verheerenden Auswirkungen von Konflikten auf Kinder.“ Die Ergebnisse seien ein Aufruf zum Handeln, so die Amerikanerin. „Indem wir Kinder in bewaffneten Konflikten schützen, halten wir die Hoffnung aufrecht und bereiten Kinder darauf vor, eine friedliche Zukunft für sich selbst und ihre Länder zu gestalten.“

UNICEF unterstützt in Konfliktländern die dortigen Organisationen, die Berichte über Kinderrechtsverletzungen sammeln und überprüfen. UNICEF (ursprünglich United Nations International Children’s Emergency Fund, seit 1953 United Nations Children’s Fund) führt außerdem Hilfsprogramme in den betroffenen Ländern durch, unter anderem um Kinder zu schützen, Schulen wieder aufzubauen, psychosoziale Hilfe zu organisieren sowie Kindersoldaten zu befreien und in die Gesellschaft zu reintegrieren.

Tatsächliche Zahl der minderjährigen Opfer weitaus größer

Im Berichtszeitraum wurden mehr als 24.000 schwerste Verstöße ermittelt. Dazu gehören neben Tötung und Verletzung auch die Rekrutierung von Kinder durch bewaffnete Gruppen, sexuelle Gewalt und Misshandlungen, Entführung, Angriffe auf Schulen und Krankenhäusern und verwehrter humanitärer Zugang. Auch frühere Dokumentationen der VN beziehungsweise von UNICEF belegen, dass Konflikte und Kriege immer auch verheerenden Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben (siehe auch unseren früheren Beitrag vom Dezember 2018).

Die meisten verwundeten oder getöteten Kinder waren 2018 in Afghanistan (3062), Syrien (1854) und Jemen (1689) zu beklagen. UNICEF weist darauf hin, dass dies nur die Fälle sind, die überprüft werden konnten – die tatsächliche Zahl der Opfer ist wahrscheinlich viel größer. Allein die Meldungen der vergangenen Wochen von getöteten und verletzten Kindern im syrischen Idlib, in Afghanistan, Jemen und Sudan zeigen, dass sich das Leid der Jüngsten in Konfliktregionen auch 2019 fortsetzen wird.

Erschreckend ist auch folgender Umstand: Weltweit konnten im vergangenen Jahr rund 13.600 Mädchen und Jungen aus den Händen bewaffneter Gruppen befreit werden, Tausende Kinder sind jedoch gezwungenermaßen weiter im Kriegseinsatz. Allein in Somalia wurden 2018 nach Erkenntnissen von UNICEF rund 2300 Minderjährige neu rekrutiert, in Nigeria waren es fast 2000.

Auch Schulen und Krankenhäuser längst keine sicheren Orte mehr

Wie der VN-Bericht weiter belegt, wurden 2018 rund 2500 Mädchen und Jungen aus ihren Häusern, Schulen oder an öffentlichen Orten entführt – teilweise zur Zwangsrekrutierung, aber auch zum sexuellen Missbrauch. Somalia, die Demokratische Republik Kongo und Nigeria sind die drei Länder mit den höchsten Entführungszahlen.

Hinzu kamen im vergangenen Jahr mehr als 1000 verifizierte Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser, knapp die Hälfte davon zusammen in Afghanistan und Syrien. Aber auch in einer Reihe von anderen Ländern – Jemen, Kolumbien, Libyen, Mali, Nigeria, Somalia, Sudan und Zentralafrikanische Republik – waren Schulen und Krankenhäuser keine sicheren Orte für Kinder und Jugendliche.

Redaktionelle ERGÄNZUNG

Wie UNICEF Deutschland in einer Pressemitteilung am heutigen Dienstag (13. August) berichtet, haben im westafrikanischen Mali in den vergangenen Monaten schwerste Kinderrechtsverletzungen drastisch zugenommen. Dazu gehören laut UNICEF insbesondere Tötungen und Verletzungen.

Erhebungen der VN zufolge wurden im ersten Halbjahr 2019 dort mehr als 150 Kinder getötet, 75 Kinder wurden bei gewaltsamen Angriffen verletzt. Gleichzeitig hat sich der Einsatz und die Rekrutierung von Kindern in bewaffneten Gruppen im ersten Halbjahr im Vergleich zu 2018 verdoppelt. Mehr als 900 Schulen mussten aufgrund anhaltender Gewalt und Unsicherheit schließen.

IM UNICEF-Pressetext heißt es weiter: „Im Norden und im Zentrum Malis ist die Situation besonders gravierend. In der Region Mopti wurden zahlreiche Kinder bei Angriffen bewaffneter Gruppen und Kämpfen zwischen verschiedenen Volksgruppen getötet und verletzt. Viele mussten von Zuhause fliehen oder wurden von ihren Familien getrennt. Zahlreiche weitere wurden Opfer sexueller Übergriffe und erlitten schwere seelische Verletzungen. UNICEF schätzt, dass für mehr als 377.000 Kinder in Mali besondere Kinderschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.“


Unsere Bildfolge zum Thema „Kinder in Konflikten“:
1. Mossul im Norden des Irak hat furchtbare Jahre hinter sich. 2014 nahmen Kämpfer der Terrorbewegung „Islamischer Staat“ (IS) die zweitgrößte Stadt des Landes im Sturm. Im Oktober 2016 begann die Rückeroberung, die neun Monate dauerte. Als die Waffen ruhten, waren rund 10.000 Zivilisten tot, mehrere Tausend Soldaten und Bewaffnete gefallen. Mittlerweile können die Kinder wieder auf den Straßen spielen. Jedoch lauern zwischen den Trümmern große Gefahren: Sprengfallen, Landminen, Blindgänger. Die Aufnahme aus Mossul stammt vom 26. Juni 2019.
(Foto: Anmar Rfaat/UNICEF)

2. 16. April 2019: Schulunterricht in der afghanischen Kandahar-Provinz, Bezirk Zheray. Immer wieder erschüttern Angriffe der Aufständischen die Region. Viele Kinder und Jugendliche sind traumatisiert.
(Foto: Marko Kokic/UNICEF)

3. Zerstörtes Klassenzimmer in der Schule der Siedlung Nowotoschkiwske im Verwaltungsbezirk Luhansk, Ukraine. Die Spuren der jahrelangen heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Armee und den Separatisten, die von Russland unterstützt werden, sind unübersehbar. Das Bild wurde am 23. April 2019 gemacht.
(Foto: Aleksey Filippov/UNICEF)

4. Wau Shilluk im Südsudan am 23. April 2018 – hier wurden in der Vergangenheit, wie an anderen Orten des vom Bürgerkrieg heimgesuchten afrikanischen Landes auch, bereits zahlreiche Kinder und Jugendliche entführt. Bewaffnete Gruppen setzen Entführungsopfer später oft als Kämpfer oder für Hilfsdienste ein.
(Foto: Sebastian Rich/UNICEF)


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