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Berlin. Der Vorgang ist ungewöhnlich – selten kritisierte ein ehemaliger Bundesminister in der Öffentlichkeit seinen Vorgänger oder Nachfolger so scharf, wie es nun Franz Josef Jung tut. Der CDU-Politiker, vom 22. November 2005 bis zum 28. Oktober 2009 Verteidigungsminister, warf seinem Amtsnachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (28. Oktober 2009 bis 3. März 2011) vor, „die Truppe kaputtgespart“ zu haben. So zumindest lautet die Schlagzeile der BILD nach einem Gespräch mit Jung.

Zu Guttenberg habe im Zuge der sogenannten „Neuausrichtung der Bundeswehr“ ab 2010 und nach dem Aussetzen der Allgemeinen Wehrpflicht 2011 insgesamt acht Milliarden Euro einsparen wollen. Dies sei ein Fehler gewesen, urteilte Jung über den früheren CSU-Minister im BILD-Talk „Die richtigen Fragen“. Die finanziellen Einschnitte seien „in einem derartigen Umfang gewesen, dass damit die Probleme begonnen haben“, wird Jung zitiert. Wegen der Sparpläne hätten Ersatzteile gefehlt und Wartungen hätten aufgeschoben werden müssen.

Jung verwies in seinem Interview mit dem Boulevardblatt darauf, dass er zu Guttenberg „ein gut geführtes Ministerium“ hinterlassen habe. Die Ausrüstung der Bundeswehr sei bei ihm zu 80 Prozent einsatzbereit gewesen. „Da müssen wir auch wieder hinkommen.“ Jung kritisierte: „Wir sind heute bei 50 Prozent.“ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sei jetzt „ein Stück weit die Leidtragende“ der ganzen Entwicklung.

Informationsdebakel nach dem Luftschlag bei Kunduz und eine Plagiatsaffäre

Franz Josef Jung hatte nach der Bundestagswahl 2009 den Chefsessel im Verteidigungsministerium geräumt und am 28. Oktober jenes Jahres im Kabinett Merkel II den Posten des Bundesarbeitsministers übernommen.

Nach einem Zeitungsbericht über den von der Bundeswehr initiierten Luftangriff bei Kunduz mit zahlreichen zivilen Verletzten und Toten hatte der CDU-Politiker am 27. November 2009 erklärt, „die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums“ übernehmen zu wollen und seinen Rücktritt angeboten. Der Rücktritt wurde von der Bundeskanzlerin angenommen und Jung am 30. November 2009 vom damaligen Bundespräsident Horst Köhler aus der Bundesregierung entlassen.

Nachfolger im Amt des Verteidigungsministers war zu diesem Zeitpunkt bereits Karl-Theodor zu Guttenberg, ein Politiker aus den Reihen der CSU. Er stolperte und fiel tief über die sogenannte „Plagiatsaffäre“.

Diese hatte am 16. Februar 2011 mit einem Hinweis der Süddeutschen Zeitung begonnen, dass Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano in der Guttenberg-Dissertation kopierte Textstellen ohne Fußnoten gefunden habe. Der Minister, der an diesem Tag auf dem Weg zu einem Truppenbesuch in Afghanistan gewesen war, hatte die Vorwürfe des Abschreibens zunächst als „abstrus“ bezeichnet. Im Laufe der nächsten Tage sollte zu Guttenberg aber doch noch „gravierende Fehler“ einräumen. Am Vormittag des 1. März erklärt der Verteidigungsminister schließlich bei einer Pressekonferenz in Berlin seinen Rücktritt.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Der frühere Bundesminister der Verteidigung Franz Josef Jung, im Amt vom 22. November 2005 bis zum 28. Oktober 2009, macht seinen Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg verantwortlich für den desolaten Zustand der Bundeswehr. Die Aufnahme zeigt Jung im August 2008.
(Foto: Regani/Wikipedia/unter Lizenz CC BY 3.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/)

2. Karl-Theodor zu Guttenberg, Nachfolger Jungs im Amt des Verteidigungsministers vom 28. Oktober 2009 bis 3. März 2011, besuchte im August 2010 das damalige Jagdgeschwader 74 in Neuburg an der Donau (heute Taktisches Luftwaffengeschwader 74). Der Minister bereitete sich dort auf einen Mitflug im Eurofighter vor. Derartige Aktionen und Auftritte prägten die Jahre zu Guttenbergs im BMVg nachhaltig. Auch negativ! In seinem Beitrag „Bruder Leichtfuß bleibt sich in Hochmut treu“ für DIE WELT, veröffentlicht am 19. Dezember 2018, schrieb Jacques Schuster: „Ob als Wissenschaftler, Wirtschafts- oder Verteidigungsminister – Karl-Theodor zu Guttenberg war immer eines: ein überschätzter Blindgänger.“ Ob der Chefkommentator der WELT diese Einschätzung so auch geäußert hätte, als der CSU-Hoffnungsträger noch in Amt und Würden war?
(Foto: Xaver Habermeier/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Der damalige Verteidigungsminister zu Guttenberg bei einem Truppenbesuch in Afghanistan. Die Aufnahme stammt vom 13. April 2010.
(Foto: Daniel Stevenson/ISAF Headquarters Public Affairs Office)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 7. Februar 2019 um 20:04 Uhr

    Die Bundesrepublik Deutschland hatte von 1969 bis 1972 mit Helmut Schmidt (SPD) einen Verteidigungsminister, der meines Erachtens wusste, was er tat. Danach hat mich kein Amtsnachfolger mehr von seiner Kompetenz überzeugt.

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