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New York/Köln. Erinnern Sie sich?: Da brachte man Kinder zu ihm, damit er ihnen die Hände auflegte. Die Jünger aber wiesen die Leute schroff ab. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie. Unsere Wirklichkeit ignoriert das Markusevangelium. Auch 2018 gehörten Kinder wieder zu den ersten Opfern von kriegerischen Auseinandersetzungen. Dies dokumentiert UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. In dem am gestrigen Donnerstag (27. Dezember) veröffentlichten UNICEF-Jahresbericht zum Thema „Kinder in Konfliktgebieten“ heißt es: „In vielen Konfliktländern wurden Kinder angegriffen, als menschliche Schutzschilde missbraucht, getötet, verletzt oder als Soldaten rekrutiert – Vergewaltigung, Zwangsheirat und Entführung gehören häufig zur Kriegstaktik.“

Millionen Kinder in Konfliktländern waren 2018 schweren Kinderrechtsverletzungen ausgesetzt, die Verantwortlichen wurden kaum zur Rechenschaft gezogen. Tausende Mädchen und Jungen wurden direkte Opfer von Kriegsgewalt. Damit setzte sich ein schockierender Trend der letzten Jahre fort, so das Kinderhilfswerk UNICEF (ursprünglich United Nations International Children’s Emergency Fund, seit 1953 United Nations Children’s Fund).

Manuel Fontaine, Leiter der weltweiten Nothilfeprogramme von UNICEF, ist empört: „Kinder in Konfliktgebieten rund um die Welt mussten in den vergangenen zwölf Monaten ein extremes Ausmaß an Gewalt erleiden – und die Weltgemeinschaft hat dabei versagt, sie zu schützen.“ Schon viel zu lange hätten Konfliktparteien schreckliche Gräueltaten begangen und seien in den meisten Fällen auch noch straffrei ausgegangen. Die Kinder könnten und müssten dringend besser geschützt und unterstützt werden, fordert der UNICEF-Direktor.

Verletzt, traumatisiert und ständig voller Angst

In Palästina wurden dieses Jahr mehr als 50 Minderjährige getötet und Hunderte weitere verletzt, viele während Demonstrationen gegen die schlechten Lebensbedingungen im Gazastreifen. Sowohl Kinder und Jugendliche in Palästina als auch in Israel haben Verletzungen erlitten, sind traumatisiert und haben Angst.

Allein von Januar bis September 2018 haben die Vereinten Nationen die Tötung von 870 Kindern in Syrien verifiziert – die höchste Zahl in den ersten neun Monaten eines Jahres seit Konfliktbeginn. Angriffe haben das ganze Jahr über stattgefunden; im November starben 30 Kinder im Dorf Al-Shafa im Osten Syriens.

Obwohl die Kämpfe im Irak deutlich abgenommen haben, wurden im November im Norden des Landes vier Kinder auf dem Weg zur Schule getötet. Kinder und Familien, die in ihre ehemals umkämpften Wohngebiete zurückkehren, sind zudem großen Gefahren durch noch nicht geräumte Minen und Blindgänger ausgesetzt.

Im Jemen wurden bei Angriffen nach gesicherten Erkenntnissen der Vereinigten Nationen mindestens 1427 Kinder getötet oder verletzt. Zahlreiche Schulen und Krankenhäuser wurden angegriffen oder für militärische Zwecke missbraucht.

Extreme Gewalt gegen Frauen, Kinder und Jugendliche

In der Tschadsee-Region (Teile von Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun) sind mehr als 1000 Schulen wegen Gewalt, Unruhen oder der Angst vor Angriffen geschlossen. Rund 445.000 Kinder haben deswegen keinen Unterricht. Auch in der Grenzregion von Mali, Niger und Burkina Faso stehen fast 1500 Schulen leer.

Im Nordosten von Nigeria nehmen verschiedene bewaffnete Gruppen, einschließlich Splittergruppen von Boko Haram, gezielt Mädchen ins Visier. Diese werden vergewaltigt, mit Kämpfern zwangsverheiratet oder zu Bombenattentaten gezwungen. Im Februar wurde eine Gruppe von 110 Mädchen und einem Jungen aus einer Fachhochschule in Dapchi im Nordosten des Landes entführt. Die meisten Kinder wurden inzwischen freigelassen, fünf Mädchen starben allerdings schon.

Im Nordwesten und Südwesten von Kamerun wurden 80 Menschen – unter ihnen viele Kinder – aus einer Schule in Nkwen-Bamenda im Nordwesten des Landes entführt und ein paar Tage später wieder freigelassen. Berichten zufolge wurden 93 Dörfer ganz oder teilweise niedergebrannt.

Die Kämpfe in der Zentralafrikanischen Republik sind in fast allen Regionen des Landes wieder aufgeflammt. Die bewaffneten Gruppen greifen häufig Zivilisten an. Zwei Drittel der Kinder brauchen laut UNICEF dringend humanitäre Hilfe.

Der Bürgerkrieg im Südsudan hat Armut und Hunger verschärft, über sechs Millionen Menschen haben nicht genug zu essen. Es gibt zwar einen kleinen Hoffnungsschimmer durch eine neue Friedensregelung. Aber es wird nach wie vor über extreme Gewalt gegen Frauen und Kinder berichtet – zuletzt aus Bentiu im Norden, wo mehr als 150 Frauen und Mädchen Opfer von Massenvergewaltigungen wurden.

In der Demokratischen Republik Kongo haben Gewalt zwischen ethnischen Gruppen sowie Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Milizen in verschiedenen Landesteilen verheerende Auswirkungen auf Kinder. Mädchen und Jungen werden zwangsrekrutiert und erleiden sexuelle Gewalt.

In den ersten neun Monaten 2018 wurden in Somalia etwa 1800 Kinder und Jugendliche als „Soldaten“ rekrutiert. 1278 Kinder wurden UNICEF zufolge entführt.

Leben zwischen den Fronten und bedroht von Menschenrechtsverletzungen

Im Afghanistan sind Gewalt und Blutvergießen auch weiterhin an der Tagesordnung. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden etwa 5000 Kinder und Jugendliche getötet oder verletzt – so viele wie im gesamten Vorjahr. 89 Prozent der zivilen Opfer von Minen und Blindgängern sind Kinder.

Aus dem asiatischen Myanmar erhalten die Vereinten Nationen nach wie vor erschreckende Berichte über Verletzungen der Menschenrechte von Rohingya in Myanmar. Berichtet wird auch über Tötungen, willkürliche Verhaftungen und das Verschwinden von Menschen. Die Rechte auf Bewegungsfreiheit und Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sind für Rohingya im Bundesstaat Rakhine eingeschränkt.

Zum Schluss ein Blick nach Europa: Der nun bereits mehr als vier Jahre andauernde Konflikt in der Ostukraine hat auch schwere Auswirkungen auf das gesamte Bildungssystem. Hunderte Schulen wurden zerstört oder beschädigt. Rund 700.000 Mädchen und Jungen lernen in einem Umfeld, das wegen unregelmäßiger Kämpfe, Minen oder Blindgängern völlig unsicher ist. Etwa 400.000 Kinder leben in unmittelbarer Nähe der Frontlinie.

Kriegsparteien für den Schutz von Kindern verantwortlich machen

Das Kinderhilfswerk UNICEF ruft in seinem Jahresbericht 2018 alle Konfliktparteien dazu auf, „ihren Verpflichtungen nach internationalem Recht nachzukommen, Gewalttaten gegen Kinder sofort zu stoppen und Angriffe auf zivile Infrastruktur einschließlich Schulen, Krankenhäusern und der Wasserversorgung zu unterlassen“. Darüber hinaus appelliert UNICEF an alle Staaten mit Einfluss auf Konfliktparteien, diesen zum Schutz der Kinder zu nutzen.

„Es muss dringend mehr passieren, um Kriege zu vermeiden und die vielen verheerenden bewaffneten Konflikte zu beenden. Aber auch wenn Kriege weitergehen, dürfen wir Angriffe gegen Kinder niemals akzeptieren. Wir müssen die Kriegsparteien für den Schutz von Kindern verantwortlich machen. Sonst werden Kinder und ihre Familien weiterhin unter den schrecklichen Folgen leiden“, fordert Nothilfe-Chef Manuel Fontaine.


Unser Bildmaterial zu diesem Beitrag:
1. Der sechs Jahre alte Yasin in einer Flüchtlingsaufnahmestelle in Bangladesch, dem Nachbarland Myanmars. Yasin und sein mit ihm geflohener Vater gehören zur muslimischen Minderheit in Myanmar, den Rohingya. Die Aufnahme wurde am 6. Februar 2018 gemacht.
(Foto: Thomas Nybo/UNICEF)

2. Traumatisiert – eine Mutter mit ihrem unterernährten Kind im Hospital von Mao im Tschad. Das Bild entstand am 4. Juni 2018.
(Foto: Vincent Tremeau/UNICEF)

3. Der bereits mehr als vier Jahre in der Ostukraine andauernde Konflikt hat schlimme Spuren der Verwüstung hinterlassen – die Aufnahme vom 23. September 2018 entstand in der Siedlung Nowotoschkiwske im Verwaltungsbezirk Luhansk und zeigt den neun Jahre alten Yura Khromchenko im örtlichen Kindergarten. Der Kindergarten war während der Kämpfe zwischen der ukrainischen Armee und den Separatisten, die von Russland unterstützt werden, völlig zerstört worden.
(Foto: Christopher Morris/UNICEF)

Kleines Beitragsbild: Zwei kleine Mädchen in den Ruinen der irakischen Stadt Mossul.
(Foto: Anmar Rfaat/UNICEF)


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