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Köln. Die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali MINUSMA gilt als die gefährlichste Mission der Organisation weltweit. Deutschland beteiligt sich daran mit bis zu 1000 Bundeswehrsoldaten. Am 12. Dezember hat das Parlament den Bundeswehreinsatz zunächst bis zum 30. April dieses Jahres verlängert. Dann soll eine neue Bundesregierung über eine erneute Fortsetzung entscheiden. In einem neuen ARD radiofeature stellt die WDR-Autorin Bettina Rühl nun den Sinn dieses Einsatzes generell infrage. Nach ihren Recherchen scheint das Mandat nicht auszureichen, um den Friedensprozess in dem westafrikanischen Land zu befördern.

Trotz der internationalen Militärpräsenz von etwa 11.000 Soldaten hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Sicherheitslage in Mali drastisch verschlechtert. Zu Beginn litt nur der Norden unter islamistischer Gewalt, inzwischen ist auch das Zentrum betroffen. Auf der Suche nach den Gründen hat Bettina Rühl in einer mutigen Recherche Mitglieder bewaffneter Gruppen und Drogenschmuggler ausfindig gemacht und gesprochen.

Ihre Arbeit für ARD radiofeature – ein Gemeinschaftsprojekt der ARD mit aufwendigen, investigativ-journalistischen Dokumentationen – trägt den Titel „Die Drogenbarone von Mali – über Kriegstreiber und eine Friedensmission“.

Kollabierende Staaten, islamistischer Terror und Menschen auf der Flucht

Bettina Rühl, geboren 1965, ist seit 1988 freie Hörfunk- und Feature-Autorin mit dem Schwerpunkt „Afrika“. Sie lebt abwechselnd in Deutschland und Afrika. Zu ihren Themen gehören der Zerfall und Wiederaufbau von Staaten, der islamistische Terrorismus in Ost- und Westafrika sowie dessen Finanzierung und die Flucht- und Migrationsbewegungen auf dem Kontinent.

Ihre Beiträge sind mehrfach ausgezeichnet worden. Zuletzt erhielt sie 2015 den Prix Europa in der Kategorie „Best European Investigation of the Year 2015“ für das ARD radiofeature „Wie Terror entsteht“.

Politiker und militärische Führer in kriminelle Geschäfte verstrickt

In Rühls Interviews für die aktuelle Produktion über Mali wird klar: Alle einheimischen bewaffneten Gruppen beteiligen sich am extrem lukrativen Drogengeschäft – auch diejenigen, die sich offiziell für die Stabilisierung des Landes einsetzen. Der Schmuggel von Kokain und Haschisch ist mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. In einigen Regionen sind die Drogenbarone fast die einzigen Arbeitgeber in diesem bitterarmen westafrikanischen Land.

Die Recherchen der Journalistin zeigen außerdem sehr deutlich: Zur Stabilisierung des Landes müsste unbedingt gegen den Drogenschmuggel vorgegangen werden. Dafür haben die Soldaten der Vereinten Nationen jedoch kein Mandat: Sie dürfen keine Terroristen, Schmuggler oder andere Kriminelle bekämpfen. Das bleibt Aufgabe der malischen Regierung. Die Volksvertreter aber handeln nicht, weil – wie Schmuggler berichten – auch hochrangige Militärs und Politiker mit Drogen viel Geld verdienen.

So hat der Frieden in Mali kaum eine Chance. Rühls Beitrag „über Kriegstreiber und eine Friedensmission“ macht in erschreckender Weise deutlich, dass offenbar weder die Milizen noch Teile der Regierung ein Interesse am Frieden haben, denn im Chaos können sie den illegalen Geschäften viel besser nachgehen. Vor diesem Hintergrund sei MINUSMA (Mission multidimensionelle integrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali/The United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali) wohl zum Scheitern verurteilt, meint die Autorin.


Randnotiz                                  

Radiobeitrag „Die Drogenbarone von Mali – über Kriegstreiber und eine Friedensmission“ von Bettina Rühl. Ab Mittwoch, 24. Januar 2018, in verschiedenen Wort- und Kulturwellen der ARD und unter www.radiofeature.ard.de im Internet.
Die einzelnen Sendetermine:
SWR 2 am Mittwoch, 24. Januar 2018, 22:03 Uhr;
BR 2 am Samstag, 27. Januar 2018, 13:05 Uhr;
Antenne Saar am Samstag, 27. Januar 2018, 17:04 Uhr;
SR 2 KulturRadio am Samstag, 27. Januar 2018, 17:04 Uhr;
Bremen Zwei (RB) am Samstag, 27. Januar 2018, 18:05 Uhr;
WDR 5 am Sonntag, 28. Januar 2018, 11:05 Uhr;
NDR Info am Sonntag, 28. Januar 2018, 11:05 Uhr;
hr2-kultur am Sonntag, 28. Januar 2018, 18:05 Uhr.
Alle Angaben ohne Gewähr.


Zu unserem Bildangebot:
1. Im Anflug auf die malische Oasenstadt Timbuktu. In Timbuktu und mehreren nordmalischen Städten errichteten die Islamisten im Frühjahr 2012 ein religiöses Terrorregime. Ende 2012 vertrieben französische Truppen gemeinsam mit der malischen Armee die Radikalen aus der Stadt.
(Foto: Marco Dormino/MINUSMA/unter Lizenz CC BY-NC-SA 2.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/legalcode)

2. Seit dem Sturz der damaligen Regierung Touré durch einen Militärputsch im März 2012 und dem Vormarsch radikal-islamistischer Terrorgruppen im Norden des Landes befindet sich Mali in einer permanenten Sicherheitskrise. Hauptsächlich der Norden ist von Kampfhandlungen verfeindeter Gruppen betroffen. Der im Land stationierten internationalen Friedenstruppe MINUSMA gelingt es nicht, die Lage zu stabilisieren. Es ist auch weiterhin eine unübersichtliche Gemengelage verschiedenster Konfliktparteien mit unterschiedlichen Interessen und fließenden Übergängen: Tuareg-Separatisten, Milizen verschiedener ethnischer Gruppen, islamistische Terrorgruppen sowie Schmuggler und Kriminelle, denen Kontakte bis zur politischen Elite nachgesagt werden. Das Bild, entstanden am 31. Januar 2012, zeigt eine Gruppe von Tuareg-Kämpfern.
(Foto: Magharebia, www.magharebia.com/unter Lizenz CC BY 2.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Sahara“, aufgenommen am 1. November 2011 in Marokko.
(Foto: acquimat4/unter Lizenz CC BY-SA 2.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/legalcode)


Kommentare

  1. Ahl | 8. Februar 2024 um 04:07 Uhr

    Und wie sieht es jetzt im Jahr 2024 in Europa aus mit den Drogen, nachdem MINUSMA in Mali unter anderem durch die Präsenz russischer Kräfte beendet wurde und auch die Bundeswehr sich zurückgezogen hat?
    Es entstehen Zustände wie in Brasilien, wenn es so weitergeht. Ich habe dort in Afrika geholfen, soweit es mir möglich war. In Deutschland wurde ich dafür teilweise von der Gesellschaft ausgegrenzt und sogar als „Mörder“ bezeichnet!

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