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Kabul. Afghanistan wurde kurz vor dem Jahreswechsel noch einmal von verheerenden Anschlägen erschüttert. Am 31. Dezember zündete ein Selbstmordattentäter im ostafghanischen Jalalabad in der Nangarhar-Provinz bei der Beerdigung eines früheren Gouverneurs eine Bombe, mindestens 17 Menschen starben. Am 28. Dezember kamen bei einem Anschlag in der afghanischen Metropole Kabul mehr als 40 Personen ums Leben. An diesem Donnerstag sprengte sich während einer Veranstaltung in einem Kulturzentrum ein Attentäter in die Luft; als Helfer das Gebäude betreten wollten, explodierten im Eingangsbereich weitere Sprengsätze. Drei Jahre nach Ende des Kampfeinsatzes der NATO in Afghanistan hat sich die Sicherheitslage in dem Land sehr verschlechtert.

Bei zwei weiteren Anschlägen am 25. Dezember waren bereits ein Dutzend Menschen umgekommen. Vor dem Kabuler Gebäude des afghanischen Inlandsgeheimdienstes NDS (National Directorate of Security), unweit des NATO-Hauptquartiers, hatte sich ein Attentäter in die Luft gesprengt und dabei sechs Personen mit in den Tod gerissen. Sechs Polizisten starben an diesem Montag in der Südprovinz Helmand bei einem Anschlag mit einer Sprengfalle.

Im Jahr 2017 war es in Afghanistan zu mehr als 60 Selbstmordattentaten gekommen, bei denen fast immer unbeteiligte Zivilisten getötet und verletzt wurden. Am schwersten betroffen von den Anschlägen waren Kabul und die Provinzen Nangarhar und Herat.

Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ attackiert schiitische Minderheit

Von den insgesamt 63 Selbstmordanschlägen in Afghanistan im Jahr 2017 gehen wohl 48 auf das Konto der radikal-islamischen Taliban, 15 Anschläge reklamiert die auch am Hindukusch aktive Terrorbewegung „Islamischer Staat“ (IS) – in Afghanistan als „Daesh“ bekannt – für sich. Der sunnitische IS attackiert vor allem schiitische Moschee und andere religiöse Orte. So waren am 1. August bei einem Selbstmordanschlag auf eine Moschee in der westafghanischen Stadt Herat 33 Gläubige getötet und 66 verletzt worden.

Nach einer Erhebung des Unternehmens ESRI in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen amerikanischen Institut PeaceTech Lab wurden 2017 global 1133 terroristische Anschläge verübt, bei denen 7633 Menschen starben. Dem IS schreibt diese Untersuchung für das vergangene Jahr weltweit 417 Terrorangriffe mit 3301 Todesopfern zu. Laut ESRI-Team und PeaceTech Lab verübten die Taliban 2017 insgesamt 101 Anschläge, dabei wurden 1064 Menschen getötet.

Südprovinz Helmand weiterhin gefährlichste Region in Afghanistan

Das Neue Jahr begann für die US-Truppen in Afghanistan und die dort stationierten NATO-Angehörigen mit einem traurigen Ereignis. Am 1. Januar wurde bei Kämpfen in der Provinz Nangarhar ein US-Soldat getötet, vier weitere Amerikaner wurden verwundet.

2017 verloren insgesamt 17 Soldaten des westlichen Bündnisses in Afghanistan ihr Leben. 15 der Toten waren US-Soldaten, ein Soldat stammte aus Rumänien, ein anderer aus Georgien. Seit Beginn des Einsatzes der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan starben 3545 Militärangehörige (den traurigen Rekord mit 711 Toten hält dabei das Jahr 2010). Die gefährlichste aller afghanischen Provinzen ist und bleibt dabei die Südprovinz Helmand: hier wurden seit dem Jahr 2001 insgesamt 957 Angehörige der in Afghanistan eingesetzten NATO-Truppen getötet.

Bald eine halbe Million afghanische Binnenflüchtlinge

Dass Afghanistan mittlerweile wohl nicht mehr als ein „teilweise sicheres Herkunftsland“ gelten kann, dokumentiert auch der am 1. Januar veröffentlichte Länderbericht der Agentur der Vereinten Nationen zur Koordinierung humanitärer Hilfe (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, OCHA).

Dem OCHA-Report zufolge wurden zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2017 insgesamt 445.335 Afghanen kriegsbedingt aus ihrer vertrauten Umgebung vertrieben und somit für lange Zeit heimatlos. Allein in den letzten Tagen mussten landesweit rund 7428 Menschen wegen der Kämpfe zwischen Regierungstruppen mit den Taliban oder dem IS fliehen.

Im früher als eher ruhig geltenden Norden und Nordosten wurden im vergangenen Jahr 139.900 Binnenflüchtlinge registriert. Dies entspricht rund 31 Prozent aller registrierten Fälle innerhalb des Landes, so die Vereinten Nationen. In der Ostprovinz Nangarhar, wo sich Taliban und Daesh bekämpfen, mussten 123.538 Menschen ihr Heim verlassen. Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der Afghanen, die momentan unter „unmenschlichen Bedingungen“ in Camps leben, auf rund 900.000.


Unsere Aufnahme zeigt Fahrzeuge der NATO nach einem Selbstmordanschlag am 2. August 2017 in der afghanischen Provinz Kandahar. Bei dem Angriff starben zwei amerikanische Soldaten.
(Bild: amk)


Kommentare

  1. Daniel Schmidt | 3. Januar 2018 um 19:16 Uhr

    Afghanistan ist eines der Länder, die eine tragische Entwicklung hinter sich haben und einfach nicht zur Ruhe kommen.

    Ich würde gerne wissen, ob es wirklich irgendwie möglich wäre, innerhalb von etwa fünf Jahren das Land und dessen Politik derart umzuwälzen, dass ein dauerhafter Frieden gewährleistet werden könnte. Wenn ja, wie sähe dies aus? Und wessen Interessen würde dies blockieren (intern wie extern)?

    Ließe sich der Mohnanbau durch nachhaltige legale Landwirtschaft ersetzen (beispielsweise Baumwolle)? Würde sich die Durand-Linie neu setzen lassen, um den Stammesstrukturen besser gerecht werden zu können? Wie steht es um die Mineralvorkommen? Und: Welche offenen und verdeckten Einflüsse haben zurzeit noch Indien und Pakistan?

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