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Gao (Mali)/Berlin. Die Bundeswehr hat am heutigen Mittwoch (26. Juli) im westafrikanischen Mali beim Absturz eines Kampfhubschraubers Tiger zwei Kameraden verloren. Am späten Abend informierten Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Vizeadmiral Joachim Rühle, Stellvertreter des Generalinspekteurs, die Öffentlichkeit über das Unglück. Stunden zuvor hatte bereits der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in Mali, Mahamat Saleh Annadif, in einer Pressemitteilung auf Facebook den Absturz des deutschen Helikopters und den Tod der Besatzung bekannt gegeben.

Ministerin von der Leyen hatte, nachdem sie von dem Unglück im Einsatzland Mali erfahren hatte, einen Termin in Pöcking (Landkreis Starnberg in Bayern) abgebrochen und war nach Berlin zurückgekehrt.

Dort bestätigte sie in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Bendlerblock den tragischen Vorfall: „Inzwischen haben wir die traurige Gewissheit, dass zwei Soldaten der Bundeswehr im Dienst für unser Land ihr Leben gegeben haben. Ihr Auftrag war ein Beitrag zu unserer Sicherheit. Sie waren im Einsatz für die Friedensmission der Vereinten Nationen [MINUSMA], als ihr Hubschrauber abstürzte.“

Gefährlichster und verlustreichster Blauhelm-Einsatz weltweit

MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali/Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali) hat zum Ziel, das von ethnischen Konflikten und Terrorismus bedrohte afrikanische Staatsgebilde vor der Auflösung zu bewahren und langfristig zu stabilisieren. Der Bundestag hatte erst am 27. Januar dieses Jahres das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an dieser Mission der Vereinten Nationen bis zum 31. Januar 2018 verlängert. In ihrem Antrag zur Mandatsverlängerung hatte die Bundesregierung begründet: „Deutschland hat ein erhebliches Interesse daran, [in dieser Region] Terrorismus, Kriminalität und Verarmung, die mittelfristig starke Auswirkungen auch auf Europa haben können, gemeinsam mit seinen europäischen und internationalen Partnern entgegenzutreten.“

Der Blauhelm-Einsatz in Mali gilt als derzeit gefährlichster und verlustreichster Einsatz der Vereinten Nationen weltweit. Momentan dienen rund 870 Bundeswehrsoldaten bei MINUSMA (siehe auch unseren letzten Beitrag über die Mission).

Bundeskanzlerin Angela Merkel kondoliert den Hinterbliebenen

Bei der Pressekonferenz am Abend sagte die Verteidigungsministerin sichtlich ergriffen: „Der Tod dieser Männer im Dienste unseres Landes trifft uns alle tief. Und er macht uns unendlich traurig. Ich verneige mich vor der Leistung und dem Opfer der beiden Soldaten. Und meine Gebete und mein tiefes Mitgefühl gelten den Familien, Freunden, Kameradinnen und Kameraden. Die gesamte Bundeswehr trauert um diese tapferen Soldaten, ihr Tod ist ein schmerzlicher Verlust. Er zeigt ein weiteres Mal, wie viel unsere Männer und Frauen im Einsatz zu geben bereit sind.“ Den Familien und Angehörigen der bei dem Absturz ums Leben gekommenen Soldaten versicherte Ursula von der Leyen: „Wir sind in dieser bitteren Stunde an Ihrer Seite und trauern mit Ihnen. Die Bundeswehr wird Sie nach Kräften unterstützen.“

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sie gebeten, ihr tief empfundenes Mitgefühl zu übermitteln.

„Der abgestürzte Hubschrauber ist ausgebrannt, es gab keine Überlebenden“

Da die Untersuchungen in Mali zu dem Vorfall am Nachmittag gerade erst begonnen hätten, bat die Ministerin die Medienvertreter zum Schluss um Geduld. Man wolle die Ursachen des Tiger-Absturzes „mit der gebotenen Ruhe und in aller Sorgfalt“ aufklären und hoffe dafür auf das nötige Verständnis.

Wie Vizeadmiral Joachim Rühle danach mitteilte, werden die Angehörigen der Absturzopfer von der Bundeswehr betreut. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Erich Pfeffer, sei zum deutschen Einsatzkontingent MINUSMA, das im Camp Castor im nordostmalischen Gao stationiert ist, gereist.

Über den Verlust des Tiger-Kampfhubschraubers sagte Rühle: „Der Absturz ereignete sich gegen 14:20 Uhr unserer Zeit (12:20 Ortszeit) ungefähr 70 Kilometer nördlich von Gao. Die erste Meldung darüber erfolgte durch den zweiten begleitenden Hubschrauber. Es wurde kein Notruf durch die verunglückte Besatzung abgegeben. Der abgestürzte Hubschrauber ist ausgebrannt. Es gab keine Überlebenden.“

Der Stellvertreter des Generalinspekteurs legte dar, dass die Absturzursache derzeit noch völlig offen sei. Hinweise auf eine „Fremdeinwirkung“ lägen bislang nicht vor. Ein Team des Generals Flugsicherheit werde sich am morgigen Donnerstag (27. Juli) zur Abklärung der Ursachen nach Gao begeben. Dabei werde man versuchen, den Flugunfallschreiber zu finden und auszuwerten.

Rühle kündigte abschließend an: „Der Routineflugbetrieb Tiger wird bis auf Weiteres ausgesetzt. Für den Einsatzflugbetrieb werden nur Aufträge ausgeführt, bei denen Leib und Leben einen Einsatz unbedingt erfordern. Die Entscheidung wird in jedem Einzelfall vor Ort getroffen.“

Vereinte Nationen sprechen von einem „möglichen technischen Defekt“

Ergänzende Informationen können den bis jetzt erschienenen Pressestatements der Vereinten Nationen entnommen werden. So heißt es in einem Text, die Tiger-Besatzungen hätten „Konfrontationen“ am Boden beobachtet, bevor es zum Absturz der einen Maschine gekommen sei. Farhan Haq, ein Sprecher der Organisation, gab den Absturzort mit „südlich von Tabankort in der Region Gao“ an. Sicherheitskräfte und medizinisches Personal von MINUSMA hätten sich nach dem Crash sofort aufgemacht, um der deutschen Besatzung zu helfen.

In der Pressemitteilung des Sonderbeauftragten Mahamat Saleh Annadif ist von einem möglichen „technischen Defekt“ die Rede.

Wagenburg-Mentalität statt angemessener Krisenkommunikation

Eine eigenartige Informationspolitik betrieben am heutigen Nachmittag übrigens die zuständigen Sprecher der Bundeswehr beziehungsweise des Ministeriums. Während bundesweit fast alle Leitmedien seit etwa 17 Uhr über das Unglück in Mali berichteten (wenn auch ohne die wünschenswerte Detailtiefe) und später ab 19 Uhr in den sozialen Netzwerken bereits die ersten Beileidsbekundungen zum Tod der beiden Piloten erschienen, hielt man sich in Potsdam und Berlin immer noch bedeckt.

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr und der Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums verfolgten bis in die Abendstunden bei unseren wiederholten Versuchen, als Pressevertreter doch noch etwas über das Unglück zu erfahren, eine beharrliche Mauertaktik. Es gab nicht einmal eine Bestätigung des Vorfalles. Beim Potsdamer Kommando hieß es beispielsweise: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir dazu im Moment nichts sagen werden.“ Auf die Nachfrage, wann denn mit einem offiziellen Statement beispielsweise des BMVg zu rechnen sei, lautete die Antwort: „Wie gesagt – haben Sie Verständnis dafür, dass wir dazu im Moment nichts sagen werden.“ Öffentlichkeitsarbeit – vor allem Krisenkommunikation – geht anders!

Wenig tröstlich war und ist, dass am heutigen Mittwoch offenbar auch andere Kollegen vor der Wagenburg der Bundeswehr-Öffentlichkeitsarbeiter verzweifelten. So kritisiert der Verteidigungsexperte der Tagesschau, Christian Thiels, in seinem Beitrag über den Mali-Zwischenfall: „Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam reagierte auf Anfrage bis zum Abend äußerst schmallippig. ,Wir sagen dazu nichts‘, so die Sprecherin, die ich am Telefon hatte. Nun kann man ja der Überzeugung sein, dass man erst einmal gesicherte Informationen braucht und dann die Angehörigen der […] Piloten erreichen will. Dafür gibt es gute Argumente, doch im Internet-Zeitalter verbreiten sich Informationen so schnell und kaum noch kontrollierbar, dass die einzig sinnvolle Kommunikationsstrategie nur sein kann, möglichst frühzeitig mit dem wenigen, was bekannt ist, an die Öffentlichkeit zu gehen. Dabei muss man dann auch klar benennen, was man noch nicht weiß. Das kann zumindest einem Teil der wilden Spekulationen, die ohne irgendeine offizielle Stellungnahme wuchern, bremsen. Der Schweigekurs führt zu nichts.“

Dass es auch anders geht, haben die Kommunikationsexperten der Vereinten Nationen nach dem tragischen Zwischenfall bei Gao heute mit ihrer offensiven Informationspolitik bewiesen.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Am 25. März 2017 trafen beim Einsatzkontingent MINUSMA der Bundeswehr im nordmalischen Gao die ersten beiden Tiger-Kampfhubschrauber ein. Unsere Aufnahme zeigt eine der Maschinen. Die Grafik mit der Karte Malis verdeutlicht, wo sich am 26. Juli 2017 der Hubschrauberabsturz ereignete.
(Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr; Lokalisierung Infografik: mediakompakt 06.17)

2. Ministerin Ursula von der Leyen und Vizeadmiral Joachim Rühle bei der Pressekonferenz am Abend des 26. Juli 2016 im Verteidigungsministerium in Berlin.
(Videostandbild: Quelle N24)

Kleines Beitragsbild: Ankunft der ersten Tiger-Kampfhubschrauber in Gao am 25. März 2017.
(Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr)


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