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Berlin. Manchmal lohnt sich ein Blick über den Tellerrand hinaus. Oder in Antworten der Bundesregierung zu Themen, die nicht unbedingt sofort „mit Bundeswehr“ zu tun haben. So äußerte sich am 22. Februar die Regierung zum Thema „Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020“. Diesen Plan hatte das Kabinett der damaligen schwarz-gelben Koalition am 6. September 2012 beschlossen. Aufgerufen sind darin unter anderem die Arbeitgeber, „im Rahmen eines betrieblichen Mobilitätsmanagements nicht zuletzt die Fahrradnutzung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern“. Dadurch könne „die notwendige Mobilität der Beschäftigten auf dem Arbeitsweg und auf Dienstwegen verbessert sowie effizient und nachhaltig organisiert werden“. Wie aus der Regierungsantwort nun hervorgeht, verfügen die Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden momentan insgesamt über rund 3120 Dienstfahrräder. Das Verteidigungsministerium meldete für seinen Geschäftsbereich mit Stichtag 31. Dezember 2015 exakt 1200 Dienstfahrräder (Angabe für BMVg und Obere Bundesbehörden).

Die Anfrage an die Bundesregierung stellten die Parlamentarier Matthias Gastel, Stephan Kühn, Valerie Wilms sowie weitere Abgeordnete ihrer Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Anfrage vom Herbst vergangenen Jahres verdanken wir weitere Zahlen.

In einer früheren Antwort, veröffentlicht am 20. Oktober 2016, verweist die Bundesregierung zunächst noch einmal darauf, dass alle Behörden und Einrichtungen des Bundes aufgefordert seien, ihren Beschäftigten für Dienstgänge eine ausreichende Anzahl an Dienstfahrrädern und Elektrofahrrädern zur Verfügung zu stellen. Dies schließe eingangsnahe, sichere und möglichst überdachte Fahrradabstellplätze mit ein. Denn: „Die Bundesregierung hält es für sehr wichtig, dass der öffentliche Dienst Vorbild im Bereich der nachhaltigen Mobilität ist.“

Für das Bundesministerium der Verteidigung verzeichnet die diesem Dokument beigefügte Aufstellung der Regierung schließlich noch „über 400“ Fahrradabstellplätze für Bedienstete im Ministeriumsbereich. Für den Bereich der Bundeswehr erfahren wir lediglich, dass die Anzahl der Dienstfahrräder als „bedarfsgerecht vorhanden“ bewertet wird, die Anzahl der Fahrrad-Abstellplätze für Bedienstete als „ausreichend vorhanden“.

Truppenversuch an der Infanterieschule Hammelburg

Auch wenn es heute bei der Bundeswehr keine militärische Nutzung von Fahrrädern mehr gibt, so war dies nicht immer so. In der Gründungsphase waren einige wenige Kompanien mit Fahrrädern als Übergangslösung bis zur vollständigen Motorisierung der Truppe ausgerüstet worden. Etwa im Zeitraum 1984 bis 1988 stellte man an der Infanterieschule Hammelburg Überlegungen an, vielleicht Teile desTerritorialheers mit Fahrrädern auszustatten. Angehörige eines Fahrradzuges, der damals in Hammelburg Erprobung war, präsentierten sich damals stolz in Günther Jauchs TV-Show „Na siehste“.

Historisch betrachtet hat das Fahrrad weltweit durchaus militärische Tradition. Im Internet gibt es erstaunlicherweise etliche Zeitgenossen, die sich damit intensiver befasst haben und ihr Hobby online präsentieren – mit zum Teil seltenen Bildern.

Erste Versuche einer militärischen Nutzung des Fahrrades begannen etwa nach 1885. In Deutschland wurden ab 1892 Radfahrer bereits in einzelnen Truppenteilen als Melder eingesetzt. Später entstanden dann geschlossene Radfahrkompanien, die zu den Jägerbataillonen gehörten.

Noch bis zum Jahr 2003 drei Radfahrerregimenter in der Schweiz

Im Ersten Weltkrieg waren Radfahrtruppen auf allen Seiten noch sehr verbreitet. Dies lag vor allem daran, dass die Truppen sich zu Kriegsbeginn noch rasch bewegen mussten, der Grad der Motorisierung aber noch nicht ausreichte. Im Heer des Deutschen Kaiserreichs gab es zu dieser Zeit fast 40 Radfahrerkompanien.

Im Jahr 1936 stellte die Wehrmacht beim I. Armeekorps in Königsberg zunächst eine Radfahrer-Versuchsabteilung auf. Während des Zweiten Weltkrieges wurden auf deutscher Seite Radfahrer schwerpunktmäßig bei den Aufklärungsabteilungen der Infanteriedivisionen des Heeres eingesetzt. Auch die alliierten Truppen hatten Fahrrad-Kräfte in ihren Reihen. So führten beispielsweise britische Fallschirmjäger in Luftlandeoperationen auch Klappräder mit, um später beweglicher zu sein.

Im Koreakrieg, im Indochinakrieg und im Vietnamkrieg bewältigten die Gegner der US-Truppen große Teile ihres militärischen Gütertransports mithilfe des Zweirads.

Die Schweizer Armee setzte noch bis 2003 drei Radfahrerregimenter ein. Aufgrund der fortschreitenden Motorisierung der Kampfverbände und des unzureichenden Eigenschutzes wurden diese mittlerweile jedoch komplett aufgelöst. Die U.S. Army hingegen stattet derzeit wieder Einheiten ihrer Luftlandetruppen für den Kampfeinsatz mit Spezialfahrrädern aus.


Video-Hinweis: Das YouTube-Video zeigt den Auftritt einer Bundeswehr-Fahrradstaffel 1988 bei der TV-Show „Na siehste“. Die Soldaten gehörten der Infanterieschule Hammelburg an.
(Video: Fernsehmitschnitt privat/YouTube)

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Zu unserer Bildfolge „Militärfahrräder“:
1. Schnappschuss auf der Inçirlik Air Base in der Türkei: die Feldpost wird angeliefert.
(Foto: Falk Bärwald/Bundeswehr)

2. Szene aus Günther Jauchs TV-Show „Na siehste“ 1988, Auftritt des Fahrradzuges der Bundeswehr aus Hammelburg.
(Videostandbild: Fernsehmitschnitt privat/YouTube)

3. Die Geschichte des Fahrrades beim Militär beginnt vor rund 130 Jahren. Unsere seltene historische Aufnahme aus den Vereinigten Staaten zeigt ein Fahrradkorps 1897 in der Nähe der Garnison Missoula in Montana.
(Foto: Wikipedia/unter Public Domain USA)

4. Britische Fahrradkompanie angetreten zum Drill; das Foto entstand im Januar 1910 in Bury St Edmunds im englischen Suffolk.
(Foto: Spanton-Jarman Collection/Bury St Edmunds Past and Present Society/Wikipedia/unter Public Domain)

5. Deutsche Fahrradkompanie zu Beginn des Ersten Weltkrieges.
(Foto: Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg)

6. Angehörige der US-Luftlandetruppe 1942 mit ihren Fahrrädern beim Training.
(Foto: Wilfred Morgan/U.S. Army Signal Corps)

7. Die Schweizer Armee setzte seit 1905 Militärfahrräder ein. Im Jahr 2003 wurde die Radfahrtruppen im Rahmen der eidgenössischen Armeereform abgeschafft. Legendär ist das „Ordonanzrad 05“. Fast 90 Jahre lang fuhren die Rekruten damit durchs Land. 1993 wurde das Modell vom „Fahrrad 93“ abgelöst. Das gut 21,5 Kilo schwere Rad – siehe unser Bild – verfügte über sieben Gänge.
(Foto: Schweizer Armee)

8. Das faltbare Bike „Paratrooper“ ist vom Hersteller Montague, der seinen Sitz in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts hat, speziell für die U.S. Marines entwickelt worden. Das Militärfahrrad erlebt insgesamt in den amerikanischen Streitkräften eine kleine Renaissance.
(Foto: Montague Corporation)


Kommentare

  1. Michael Müller | 28. September 2021 um 17:34 Uhr

    Die Reichswehr und die Wehrmacht hatten ein Faltrad für die Fallschirmjäger sowie einen faltbaren Fahrradanhänger, der extra mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug abgeworfen werden konnte.

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