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Oslo/Berlin/Kiel. Die gute Nachricht aus Oslo erreichte das Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems, den Systemanbieter für Uboote und Marineschiffe des Essener Industriekonzerns ThyssenKrupp, am gestrigen Freitag (3. Februar). Das norwegische Verteidigungsministerium teilte den Kielern in einem Schreiben mit, dass die Werft die internationale Ausschreibung über den Bau von vier Unterseebooten gewonnen hat. TKMS, wie die Marinesparte des Konzerns kurz genannt wird, soll die Boote in Zusammenarbeit mit norwegischen Firmen produzieren. Die Auftragsvergabe nach Schleswig-Holstein ist gleichsam eine späte Genugtuung für TKMS, konnte man sich diesmal doch gegen die französische Staatswerft Direction des Constructions Navales (DCNS) durchsetzen. DCNS hatte noch im April vergangenen Jahres die deutsche Konkurrenz im Wettbewerb um einen Milliardenauftrag Australiens zum Bau von zwölf Ubooten der Klasse „Shortfin Barracuda“ ausgestochen.

Erste Details zu dem Rüstungsvorhaben der Norweger mit dem Kieler Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems lieferte uns am Freitagvormittag eine Presseerklärung des CDU-Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens. Der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss und Marineberichterstatter seiner Fraktion teilte darin mit: „Norwegen hat sich für Deutschland als strategischem Partner im Uboot-Bereich entschieden. [Beide Länder] vertiefen ihre bereits jetzt schon sehr enge Kooperation in der Unterwasserseekriegsführung. Damit werden die Uboot-Fähigkeiten beider Marinen in den nächsten Jahren deutlich gestärkt. Norwegen wird in der Folge dieser Kooperationsvereinbarung seine neuen Uboote gemeinsam mit Deutschland bauen. Deutschland und Norwegen werden sechs identische Uboote beschaffen, davon zwei für die deutsche Marine und vier für die norwegische.“

Kurz darauf bestätigte auch das Verteidigungsministerium in Berlin die Entscheidung Norwegens. Die gemeinsame Beschaffung von sechs baugleichen Einheiten bedeute, dass Deutschland nun seine bisherige Planung bei der Beschaffung neuer Uboote deutlich vorziehen werde, so das Ministerium. Die Entscheidung Oslos werde darüber hinaus dazu beitragen, eine zukunftsweisende Schlüsseltechnologie für die nächsten Jahrzehnte in Deutschland zu sichern und in enger Kooperation mit dem norwegischen Partner weiter auszubauen. Es sei vereinbart, dass wichtige Anteile bei diesem Rüstungsprojekt durch die norwegische Industrie geleistet würden. Drittens erreiche man gemeinsam mit dem NATO-Partner Norwegen, mit dem die Bundeswehr bereits heute engstens im Bündnis und in vielen Einsätzen kooperiere, eine neue Stufe der innereuropäischen militärischen Zusammenarbeit.

In Zukunft auch gemischte deutsch-norwegische Bootsbesatzungen?

Nach einer ebenfalls am gestrigen Freitag veröffentlichten Presseerklärung des norwegischen Verteidigungsministeriums soll es sich bei den sechs neuen Ubooten um eine Weiterentwicklung der erfolgreichen deutschen Bootsklasse 212 handeln. Der Vertrag über das binationale Projekt wird nun auf Regierungsebene ausgehandelt. Bis 2019 wollen die Vertragspartner dann das Dokument unterzeichnen. Danach könnten die Detailgespräche mit TKMS als Hauptauftragnehmer über die technische Ausstattung der sechs Einheiten beginnen.

Ausgeliefert werden sollen die Boote in einem Zeitrahmen „ab 2025 bis 2030“. Die norwegische Regierung wird nach Angaben von Verteidigungsministerin Ine Eriksen Søreide das Rüstungsprojekt mit den dafür veranschlagten Kosten im Frühjahr dieses Jahres ins Parlament einbringen. Medienberichten zufolge könnte eines dieser Unterseeboote – je nach Ausstattung – bis zu 560 Millionen Euro kosten (wie die Tageszeitung Die Welt am Freitag berichtete, schätzen Fachleute den Auftragswert auf insgesamt rund drei Milliarden Euro).

Zusätzliche Aspekte des Deals nannte Niklas Wieczorek. In seinem gestrigen Beitrag für die Kieler Nachrichten schrieb der Redakteur: „Weil alle Boote identisch ausgestattet sind, könnten auch gemischte deutsch-norwegische Besatzungen eingesetzt werden.“ Und weiter: „Die norwegische Marine will künftig die Kapazitäten der deutschen Marine in Eckernförde nutzen, beispielsweise das Ausbildungszentrum für Uboote; gleichzeitig darf die deutsche Marine norwegische Infrastruktur nutzen.“

Norwegische Industrie wird „wichtige Anteile“ am Rüstungsprojekt leisten

Auch Norwegens Verteidigungsministerin hatte in der offiziellen Mitteilung ihres Hauses darauf hingewiesen, dass die Entscheidung für ThyssenKrupp Marine Systems eine „breit angelegte und langfristige Zusammenarbeit zwischen den Seestreitkräften beider Länder“ beinhalte, die Uboote und andere maritime Fähigkeiten umfasse. Die deutsch-norwegische Kooperation gehe deswegen auch über die Beschaffung von sechs identischen Ubooten hinaus. Zu ihr gehörten auch die gemeinsame Ausbildung und das Training der Besatzungen sowie der gemeinsame Betrieb, die Wartung und spätere notwendige Modernisierungen der sechs Einheiten.

Wie das deutsche Verteidigungsministerium in seiner Stellungnahme vom Freitag betonte, sollen „wichtige Anteile“ an dem Rüstungsvorhaben von Norwegens Industrie realisiert werden. Dazu berichtete die Welt, dass das Partnerunternehmen von TKMS dabei wohl die norwegische Rüstungsfirma Kongsberg sein werde (siehe dazu am Schluss auch unser Video „Future Norwegian Submarine Capability“).

Auch ist anzunehmen, dass im Zuge dieser Uboot-Entscheidung bereits die Weichen für eine Auftragsvergabe bei der künftigen Lenkflugkörper-Bewaffnung unserer Marine gestellt worden sind. Vieles deutet darauf hin, dass Norwegen diese Systeme an Deutschland liefern wird.

Uboot-Bau in Deutschland scheint für die nächsten Jahrzehnte gesichert

Die Entscheidung der Regierung in Oslo, die jetzt nach monatelangen Verhandlungen gefallen ist, löste in Schleswig-Holstein fast schon Euphorie aus. Ministerpräsident Torsten Albig sagte den Kieler Nachrichten: „Schleswig-Holstein und Norwegen sind enge Partner und in vielfältiger Weise in den Bereichen Handel, Industrie, Energie und maritime Wirtschaft verbunden.“ Der Auftrag für TKMS sei ein weiterer Beleg für die vertrauensvolle Kooperation, meinte der SPD-Politiker.

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer urteilte: „Die Entscheidung Norwegens hat erhebliche wirtschaftspolitische Bedeutung für den Standort Kiel und Schleswig-Holstein – der Werftstandort Kiel wird von diesem Auftrag erheblich profitieren.“

Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, der im Dezember vergangenen Jahres mit einer Delegation in Norwegen gewesen war und sich für TKMS starkgemacht hatte, freute sich ungemein. Dies machte er auch gegenüber den Kieler Nachrichten deutlich: „Das ist eine sehr gute Nachricht aus Oslo. Die Kooperation zwischen beiden Ländern und deren Industrien stärkt den Standort Kiel.“

CDU-Bundestagsabgeordneter Ingo Gädechens wagte einen Ausblick: „Die norwegische Entscheidung wird dazu beitragen, dass der Uboot-Bau für die nächsten Jahrzehnte in Deutschland gesichert und in enger Kooperation mit dem norwegischen Partner weiter ausgebaut wird.“ Das aktuell beschlossene Kooperationsvorhaben werde sich zu einem Musterbeispiel für eine gelebte Anlehnungspartnerschaft mit dem langjährigen NATO-Partner Norwegen entwickeln. „Von der vertieften Kooperation wird sowohl Deutschland als auch Norwegen profitieren“, glaubt der Verteidigungsexperte der Union.

Anzumerken bliebe noch, dass es von ThyssenKrupp Marine Systems im Laufe des gestrigen Freitags keine offizielle Pressemitteilung zu der frohen Botschaft aus Oslo gab (lediglich TKMS-Chef Peter Feldhaus wurde mit seinem Statement „Wir sind stolz, diesen bedeutenden Auftrag gewonnen zu haben“ von der Presse zitiert).

Dass es auch anders geht, zeigt DCNS. Der unterlegene Konkurrent gibt sich in seinem Statement vom 3. Februar fair und versichert: „Auch wenn wir diese Entscheidung [Norwegens] doch bedauern, so respektieren wir sie.“ Aber Vorsicht, der französische Konzern hält sich ein Hintertürchen offen! Er wendet sich in seiner Erklärung direkt an die politisch Verantwortlichen in Oslo und bietet an: „Wir werden Norwegen auch weiterhin zur Verfügung stehen, um die Gespräche jederzeit wieder aufnehmen zu können – vor allem dann, wenn über die mit der deutschen Regierung geplante Zusammenarbeit letztendlich keine Einigung erzielen werden sollte.“ Sieht so Störfeuer aus? …


Video-Hinweis: Das Video „Future Norwegian Submarine Capability“ der norwegischen Kongsberg-Gruppe, präsentiert auf dem YouTube-Kanal des Unternehmens, entstand im Dezember 2016. Es befasst sich mit der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Entscheidung der norwegischen Regierung bei der Auftragsvergabe zum Uboot-Bau. Im Rennen zu diesem Zeitpunkt: der französische Industriekonzern DCNS und ThyssenKrupp Marine Systems, die Kieler Sparte des Essener Konzerns ThyssenKrupp. In dem Video äußert sich auch Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, der im Dezember mit einer Delegation aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt in Norwegen weilte, um die Bewerbung von TKMS bei der Auftragsvergabe zu unterstützen.
(Video: KONGSBERG Gruppen)

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Zu unserer Bildfolge:
1. Die sechs neuen identischen Uboote – vier für Norwegen, zwei für Deutschland – sollen eine Weiterentwicklung des Typs 212 sein, der unter anderem von der deutschen Marine genutzt wird. Dies sind die Uboote S181 („U31“), S182 („U32“), S183 („U33“), S184 („U34“), S185 („U35“) und S186 („U36“). Sie alle gehören zum 1. Ubootgeschwader in Eckernförde. Die Aufnahme zeigt „U34“ im September 2016 in der Ostsee bei der NATO-Übung „Northern Coasts“.
(Foto: Jonas Weber/Bundeswehr)

2. Norwegens Verteidigungsministerin Ine Eriksen Søreide gab in Oslo Details zum Uboot-Großauftrag für ThyssenKrupp Marine Systems und zur strategischen Marine-Partnerschaft mit Deutschland bekannt.
(Foto: Asgeir Spange Brekke/Norwegisches Verteidigungsministerium)

Kleines Beitragsbild: Taufe von „U35“, dem fünften Boot der Klasse 212A der deutschen Marine, am 15. Oktober 2011 in Kiel. Angetreten sind der Ehrenzug der Marineschule Mürwik und das damalige Marinemusikkorps Ostsee.
(Foto: Björn Wilke/Bundeswehr)


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