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Berlin/Bruchsal. Die General-Dr.-Speidel-Kaserne in Bruchsal wird nicht umbenannt. Dies teilte jetzt die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken mit. Die Liegenschaft auf dem Eichelberg war erst vor Kurzem wieder Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg“ und die 1982 gegründete Friedensinitiative Bruchsal hatten laut die „als problematisch empfundene Rolle“ des Namensgebers Hans Speidel in der Wehrmacht kritisiert.

Wehrmachtsoffizier Speidel (1897-1984) hatte im Zweiten Weltkrieg am Frankreich- und am Russlandfeldzug teilgenommen. Im April 1944 war er Chef des Stabes bei Generalfeldmarschall Erwin Rommel an der Westfront geworden. Nach dem Attentat auf Hitler hatte ihn die Gestapo verhaftet und in die Festung Küstrin gebracht. Von dort hatte Speidel im April 1945 gemeinsam mit anderen Gefangenen entkommen können.

In der Bundesrepublik war Hans Speidel zunächst militärischer Berater von Bundeskanzler Konrad Adenauer, danach arbeitete er als Sachverständiger im Amt Blank, dem späteren Verteidigungsministerium. 1954/55 vertrat er Westdeutschland bei den Verhandlungen über einen NATO-Beitritt. Er wurde am 22. November 1955 zum Chef der Abteilung „Gesamtstreitkräfte“ im Bundesverteidigungsministerium berufen, am 14. Juni 1957 folgte die Beförderung zum Vier-Sterne-General.

Speidel war von April 1957 bis September 1963 Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte in Mitteleuropa. Als strikter Befürworter der Vorwärtsstrategie des Bündnisses fand er in Frankreichs damaligem Ministerpräsidenten Charles de Gaulle einen unversöhnlichen politischen Gegner. Auf dessen Druck wurde der hohe Bundeswehroffizier Anfang September 1963 bei der NATO abgelöst. 1964 zog sich Hans Speidel in den Ruhestand zurück. Die Kaserne in Bruchsal (vormals Eichelbergkaserne) wurde im November 1997 feierlich nach dem General, der das Konzept vom Staatsbürger in Uniform mitentworfen hatte, benannt.

„Unstreitig am Widerstand um Claus Schenk Graf von Stauffenberg beteiligt“

Die Vereinigung der Verfolgten bezweifelte noch in ihrer Presseerklärung vom 7. August, dass Speidel im Widerstand gegen Hitler tätig gewesen war. Vor dem Hintergrund ähnlicher Statements hatte der Politikwissenschaftler und Leiter der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, Johannes Tuchel, bereits im Mai erklärt: „Hans Speidel war unstreitig am Widerstand um Claus Schenk Graf von Stauffenberg beteiligt.“

1956 hatte sich auch das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in einem mehrseitigen Beitrag mit dem Generalleutnant der noch so jungen Bundeswehr befasst. Über dessen Rolle im Widerstand heißt es in dem heute immer noch lesenswerten Text: „Speidel scheute nicht die Konspiration gegen Hitler, steuerte dabei aber behutsam um das äußerste Wagnis herum, so dass er nie in Lagen kam, in denen er es nicht mehr fertiggebracht hätte, mit lockerer Hand den Knoten zu lösen, ehe sich die Schlinge zuzog.“

Ein besonders verdienter Angehöriger der Bundeswehr-Aufbaugeneration

Die Anfrage zum Thema „General-Dr.-Speidel-Kaserne“ hatte die Bundestagsabgeordnete Inge Höger formuliert. Die Linke hatte von der Bundesregierung wissen wollen, welche Konsequenzen diese aus der öffentlichen Debatte um die Namensgebung nun ziehen werde. Ausdrücklich hatte Höger dabei auf die „Auffassungen aus der Zivilgesellschaft“ hingewiesen, Speidel sei kein Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime gewesen.

In seiner Antwort vom 8. September erinnert der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Ralf Brauksiepe an die militärische Lebensleistung Speidels in den Gründerjahren der Bundeswehr. Der General gehöre unzweifelhaft zu jener Gründungsgeneration, die sich um den Aufbau der Streitkräfte und deren konsequente Einbettung in den demokratischen Rechtsstaat besondere Verdienste erworben habe. Speidel stehe zugleich für die Integration der Bundeswehr in die Gemeinschaft der Alliierten und Partner.

Brauksiepe, der sich in seiner Antwort einer Bewertung der historischen Rolle Speidels im Widerstand entzieht, schließt mit der Erklärung: „Mit der Benennung einer Kaserne in Bruchsal ehrt die Bundeswehr einen besonders verdienten Angehörigen der Aufbaugeneration der Bundeswehr. Eine Umbenennung der General-Dr.-Speidel-Kaserne […] ist nicht beabsichtigt.“


Zu unserem Bildmaterial:
1. Inspektion des Atlantikwalls am 18. April 1944 bei Calais, Frankreich. Von links: Generalleutnant Hans Speidel, Hauptmann Hellmuth Lang (Ordonnanzoffizier Rommels), Generalfeldmarschall Erwin Rommel.
(Bild: Jesse/Bundesarchiv)

2. Generalleutnant Adolf Heusinger (links) und Generalleutnant Hans Speidel (zweiter von links) mit Verteidigungsminister Theodor Blank (rechts) am 12. November 1955 bei Überreichung der Ernennungsurkunden für die ersten 101 Freiwilligen der Bundeswehr. Einmontiert ist das Titelbild der Spiegel-Ausgabe 27/1956, Titelstory „Hans Speidel – der smarte General“.
(Bilder: Bundesarchiv, Spiegel/Bildmontage mediakompakt)

Kleines Beitragsbild: Haupttor der General-Dr.-Speidel-Kaserne auf dem Eichelberg, Bruchsal. Die Aufnahme stammt vom 5. Juli 2016.
(Foto: dns_vlpt/Mapillary)


Kommentare

  1. Hans Jürgen Rettig | 31. März 2018 um 20:24 Uhr

    Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e.V.) ist „ein überparteilicher Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen“.

    Die Kreisvereinigung Karlsruhe des VVN-BdA fordert die Umbenennung der „General-Dr.-Speidel-Kaserne“ in „Eichelbergkaserne“. Dazu schrieb uns die Kreisvereinigung folgenden Leserbrief:
    __________

    … Freilich wäre dies nur eine Symbolhandlung, die an der [Funktion] der Kaserne nichts verändern würde. Aber dieses Symbol wäre ein Zeichen des guten Willens, die Wehrmachtstradition der Bundeswehr zumindest öffentlich infrage zu stellen.
    Weitergehend schlägt die VVN-BdA eine Konversion der Kaserne in eine zivile Einrichtung vor. Die Räumlichkeiten könnten beispielsweise dem KIT zum Ausbau der zivilen Forschungsinfrastruktur im Rahmen der Ethik-Leitlinien sowie zur Schaffung von Lern- und Lehrräumen zur Verfügung gestellt werden. Das wäre für das KIT eine echte Wiedergutmachung (Anmerkung der Redaktion 1: siehe unten).
    Speidel hatte 1956 für die NATO die Gründung der KIT-Vorgängers „Kernforschungszentrum“ für Karlsruhe statt München verlangt, weil hier führende Nazi-Juristen und Nazi-Rüstungswissenschaftler für die deutschen Atomwaffen-Pläne eingestellt worden waren. Dass diese Pläne aufgrund der „Göttinger Achtzehn“ vor mehr als 60 Jahren scheiterten, hält die neudeutsche Machtelite nicht davon ab, eine EU-Armee gründen zu wollen mit erweitertem deutschen Atomwaffen-Zugriff.
    Viel Arbeit für die Friedenbewegung – auch gegen die KIT-Rüstungsforschung – in Erfüllung des Schwures von Buchenwald „Nie wieder Krieg“!
    __________

    (Anmerkung der Redaktion 1: Das Karlsruher Institut für Technologie – kurz KIT – ist eine Technische Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft; das KIT entstand 2009.)

    (Anmerkung der Redaktion 2: Die „Göttinger Achtzehn“ war eine Gruppe von 18 führenden deutschen Naturwissenschaftler, darunter vier Nobelpreisträger, die am 12. April 1957 in der sogenannten „Göttinger Erklärung“ vor den Gefahren des atomaren Wettrüstens warnte. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte sich zuvor für eine Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen ausgesprochen.)

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