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Hamburg/Toulouse/Varel. Der europäische Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern Airbus Group SE geht wohl schweren Zeiten entgegen. Wie Spiegel online am heutigen Freitag (6. Oktober) berichtete, droht dem Unternehmen unter Umständen ein Korruptionsprozess. Airbus „stecke tief in einem Korruptionsskandal“, bei dem es „um mögliche Schmiergeldzahlungen und schwarze Kassen“ gehe, so das Magazin. Nach Informationen der Tageszeitung Die Welt steht die Staatsanwaltschaft München I kurz vor dem Abschluss ihrer Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue bei Airbus. Der Spiegel meldete sogar, dass die Behörde „demnächst Anklage erheben“ will. Damit nicht genug – zum Jahresende hat Airbus nun auch noch die Investitionen im Bereich seiner Rüstungsbranche „Defence and Space“ auf Eis gelegt. Vor allem Probleme mit dem Militärtransporter A400M hätten zu den einschneidenden Sparmaßnahmen geführt, heißt es in einer internen Mitteilung. Eine gute Nachricht dann aus dem Norden: Am Montag (2. Oktober) hat Airbus die Gerüchte um einen Verkauf der Zulieferertochter Premium AEROTEC an den 1984 gegründeten kanadischen Finanzinvestor Onex dementiert. Allerdings solle nun über „strategische Partnerschaften“ gesprochen werden. Dies hat nach Recherchen der Nordwest-Zeitung der Vorsitzende des Aufsichtsrats von Premium AEROTEC, Klaus Richter, Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies mitgeteilt.

Zunächst zum Thema „Korruption“. Nach Informationen des Spiegel geht es bei den aktuellen Ermittlungen, die zum großen Teil durch eine Selbstanzeige des Konzerns ausgelöst worden sind, um „ein angebliches System schwarzer Kassen“ beim Verkauf ziviler und militärischer Flugzeuge, die zu mehr als hundert möglichen Korruptionszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe geführt hätte. Dies würde Länder wie Österreich, Indonesien, Kasachstan oder China betreffen.

Das Magazin zitiert Thomas Enders, den Airbus-Vorstandsvorsitzenden, der bei einem internen Treffen mit Spitzenmanagern im Juni dieses Jahres bereits gewarnt haben soll: „Wir sind in einer todernsten Lage.“

Ermittlungen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien

Neben den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München sollen auch Ermittlungen in Frankreich und Großbritannien laufen. Der Spiegel-Beitrag, an dem ein sechsköpfiges Reporter- und Redakteursteam mitgewirkt hat, spricht von einer Airbus-Abteilung „in Paris, die Keimzelle der Korruption“ gewesen und auch an der „Gründung eines Geflechts aus Briefkastenfirmen rund um die Londoner Firma Vector Aerospace“ beteiligt gewesen sein soll. In dem Beitrag heißt es weiter: „[Dieses Geflecht] sollte nach Ansicht der Münchner Staatsanwaltschaft dazu dienen, ,Schmiergeldzahlungen an Entscheidungsträger (…) in Österreich‘ zu leisten, die am Kauf von Eurofighter-Kampfflugzeugen beteiligt waren.“

Airbus-Chef Thomas Enders hat mittlerweile wohl die Konzernbelegschaft in einem Schreiben, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitierte, auf die finanziellen Konsequenzen des Skandals aufmerksam gemacht. Die laufenden Ermittlungen könnten zu „beträchtlichen Bußen“ führen, Airbus stünden „turbulente und verwirrende Zeiten“ bevor, soll es laut Reuters im Enders-Brief heißen.

Alle Investitionen in allen Bereichen sind vorerst gestoppt

Die seit vielen Monaten anhaltenden technischen Probleme des Militärtransporters A400M und die damit verbundenen Verzögerungen bei der Auslieferung der Maschinen haben die Airbus Group beziehungsweise Airbus Defence and Space in erhebliche Schwierigkeiten gebracht.

So berichtete Reuters am gestrigen Donnerstag (5. Oktober), dass der Rüstungssparte Airbus Defence and Space nun unter anderem jenes Geld in der Kasse fehle, das die deutsche Regierung für den A400M zurückhalte, weil das Flugzeug die Zusagen des Herstellers nicht erfülle. Am Mittwoch hatte der Konzern die betroffenen europäischen Regierungen darüber informiert, dass die Verzögerungen beim A400M den Airbus-Kassenbestand in diesem und im nächsten Jahr empfindlich belasten würden.

Airbus Defence and Space will nun offensichtlich die Ausgaben zum Jahresende hin drosseln. Ab sofort lägen „alle Investitionen in allen Bereichen und bei allen Tochtergesellschaften“ auf Eis bis klar sei, wer wie viel einsparen müsse. Dies teilte der Finanzvorstand der Sparte „Defence and Space“, Julian Whitehead, in einem internen Schreiben an die Belegschaft mit. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte das Schriftstück einsehen. Whitehead soll darin auch dargelegt haben, dass der Rüstungssparte zum Jahresende ein Fehl im Kassenbestand „von mehreren hundert Millionen Euro“ drohe.

Kein Finanzinvestor, gesucht werden nur strategische Partner

Airbus hat jetzt dementiert, seine Tochter Premium AEROTEC an den kanadischen Finanzinvestor Onex verkaufen zu wollen. Wie die in der Region Bremen/Oldenburg erscheinende Nordwest-Zeitung (NWZ) berichtete, soll dies Klaus Richter, Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus in Deutschland und Aufsichtsrat der Premium AEROTEC, Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies so in einem Telefonat mitgeteilt haben. „An den Gerüchten, dass ein Finanzinvestor den Zulieferer Premium AEROTEC übernimmt, ist nichts dran“, zitierte Lies am 2. Oktober bei einem Besuch in Varel den Airbus-Chef.

Vor allem in den niedersächsischen Premium AEROTEC-Werken in Varel (Landkreis Friesland) und Nordenham (Landkreis Wesermarsch), aber auch in den Standorten Bremen und Augsburg sorgten die Gerüchte über einen möglichen Verkauf an Onex unter den Arbeitnehmern zunehmend für Unruhe. Wirtschaftsminister Lies hatte deshalb auch vor Kurzem in einem Brief an die Airbus-Führung klare Aussagen gefordert.

Nach Richter und Lies ginge es nun darum, so berichtet die NWZ weiter, über „strategische Partnerschaften“ zu sprechen. Der Minister habe deutlich gemacht, dass Airbus kein Interesse daran habe, seinen strategischen Zulieferer und damit auch seine Tochter Premium AEROTEC gänzlich aus der Hand zu geben. Weitere Entscheidungen sollen nun „nur in Absprache“ getroffen werden. Richter habe Lies zugesichert, dass man „zuerst mit der Belegschaftsvertretung und der Politik“ reden und danach erst „konkret überhaupt darüber diskutieren“ werde, was zu geschehen habe.


Unser Bildangebot für diesen Beitrag:
1. Airbus-Chef Tom Enders – hier bei der Pariser Air Show am 20. Juni 2017 – hat nach Medieninformationen die Konzernbelegschaft Anfang Oktober in einem internen Schreiben auf die möglichen Konsequenzen der drohenden Korruptionsaffäre für das Unternehmen hingewiesen.
(Foto: Frédéric Lancelot/master films/Airbus Group SE)

2. Der A400M, ein umstrittenes Rüstungsprojekt – die Aufnahme vom 6. Februar 2015 zeigt den ersten Airbus-Militärtransporter MSN18 für die deutsche Luftwaffe in der Montagehalle.
(Foto: Airbus Group SE)

Kleines Beitragsbild: Airbus-Hauptquartier im französischen Toulouse.
(Foto: Airbus Group SE)


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