menu +

Nachrichten



Düsseldorf. Flüchtlingskrise, Naturkatastrophen, Terroranschläge – wir erleben äußerst unruhige Zeiten. Über die Extreme unseres Lebens diskutierten vor Kurzem in Düsseldorf rund 250 Experten aus 30 Ländern, die zur DiMiMED gekommen waren. Die DiMiMED (International Conference on Disaster and Military Medicine) fand heuer zum vierten Mal statt, wieder eingebettet in das Gesamtprogramm der weltgrößten Medizinmesse MEDICA. Beim internationalen Treffen der Wehr- und Katastrophenmediziner am 15. und 16. November auf dem Messegelände der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt stand die Frage im Mittelpunkt, was die sanitätsdienstliche Versorgung bei krisenhaften oder apokalyptischen Ereignissen tun kann.

Terroristische Attacken mitten in Deutschland und in den Nachbarstaaten, kriegerische Konflikte vor Europas Haustüre, Naturkatastrophen rund um den Globus: Die Sanitätsdienste vieler Nationen stehen vor neuen, schweren Herausforderungen. Die medizinische Versorgung von Terroropfern oder die Behandlung von kranken Flüchtlingen beispielsweise gehören inzwischen zu jenen Einsatzbereichen, die für Ärzte und Pflegepersonal nicht mehr undenkbar sind. In vielen Ländern der Erde verfügen Mediziner mittlerweile aus leidvoller Erfahrung über das notwenige Know-how im Umgang mit massenhaft verletzten Menschen (MASCAL: Mass Casualty/Massenanfall von Verwundeten; diese Situation liegt immer dann vor, wenn die Anzahl der Patienten die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten zeitweise oder dauerhaft übersteigt).

Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps, Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, forderte denn auch bei der diesjährigen DiMiMED: „Sowohl die planbaren als auch die unvorhersehbaren Aufgaben und Herausforderungen, vor denen unser Sanitätsdienst und die Sanitätsdienste anderer Nationen stehen, können nur gemeinsam bewältigt werden.“ Diese multinationale Zusammenarbeit müsse unbedingt auch die zivilen Gesundheitssysteme einschließen.

Weiterhin gut ausgebildetes medizinisches Fachpersonal gesucht

Mit den „sich verändernden Zeiten“ und den daraus erwachsenden Konsequenzen für den Sanitätsdienst vieler Streitkräfte befasste sich bei der Konferenz auch Generalmajor Jean-Robert Bernier. Der Kanadier ist seit November vergangenen Jahres Vorsitzender des „Committee of the Chiefs of Military Medical Services in NATO“ (COMEDS). Er sagte: „Um die neuen Herausforderungen zu bewältigen, müssen die Sanitätsdienste der NATO und die zivilen Organisationen eng zusammenarbeiten.“ Dabei gelte es, in Zukunft über „ausreichend adäquat ausgebildetes medizinisches Fachpersonal“ zu verfügen. Bernier wies in seiner Keynote-Rede bei der DiMiMED auch darauf hin, dass unbedingt eine „Synchronisation der Partnernationen“ erforderlich sei, um die Interoperabilität in der medizinischen Versorgung gewährleisten zu können.

COMEDS ist die Spitzenorganisation der NATO in sanitätsdienstlichen Angelegenheiten. In seinem Aufgabenbereich berichtet das „Committee“ direkt dem „Military Committee“ (MC), der obersten militärischen Instanz des Bündnisses.

Belgischer Sanitätsdienst rettete bei den Anschlägen von Brüssel viele Leben

Mit den Brüsseler Terroranschlägen vom 22. März 2016, bei denen nach offiziellen Angaben von den Selbstmordattentätern des „Islamischen Staates“ (IS) 32 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden waren, befasste sich danach Generalmajor Dr. Geert Laire.

Der Inspekteur des Sanitätsdienstes der belgischen Streitkräfte schilderte den Tag der Anschläge im Flughafen Brüssel-Zaventem und in der Innenstadt im U-Bahnhof Maalbeek aus Sicht der Rettungskräfte und beschrieb Verletzungsmuster, mit denen sich Ersthelfer, Retter und Ärzte an diesem Dienstag konfrontiert sahen. Da die Sprengsätze der Terroristen mit Nägeln und anderen Metallteilen gefüllt waren, hatten die Anschlagsopfer zum Teil verheerende Verletzungen erlitten. Es mussten etliche Amputationen vorgenommen werden. Laire betonte: „Die am Flughafen eingesetzten belgischen Soldaten haben dank ihrer sanitätsdienstlichen Ausbildung und der mitgeführten Erste-Hilfe-Sets, zu denen ein Tourniquet zum Abbinden gehört, vielen Verletzten das Leben gerettet.“ Zusätzlich zu den vielen Verletzten habe man in Brüssel auch zahllose traumatisierte Patienten psychologisch betreuen müssen, so der Generalmajor.

Laire riet am Ende seines Erfahrungsberichtes dringend dazu, dass Militärärzte ihre Einsatzerfahrungen mit MASCAL-Szenarien unbedingt auch an den zivilen medizinischen Bereich weitergeben sollten.

Erste-Hilfe-Kenntnisse der Zivilbevölkerung zum Großteil mangelhaft

Eine ähnliche Empfehlung sprach auch der stellvertretende Inspekteur des französischen Sanitätsdienstes, Médecin Général Inspecteur Dr. Patrick Godart, aus. Er drängte zudem darauf, die Erste-Hilfe-Kenntnisse der Zivilbevölkerung dringend zu verbessern. „Die ersten Minuten nach einer Verwundung sind für das Überleben und die spätere Genesung des Patienten von allergrößter Bedeutung“, mahnte Godart. Sein Rat: „Sei vorbereitet, um nicht überrascht zu werden!“

Wie wichtig gute Vorbereitung ist, hat Generalmajor Prof. Dr. Kishore Rana, Inspekteur des nepalesischen Sanitätsdienstes, aus eigener Anschauung erlebt. Er und seine Familien waren im vergangenen Jahr ebenfalls direkt vom schweren Erdbeben in Nepal betroffen, bei dem etwa 9000 Menschen umkamen und rund 22.000 verletzt wurden. Bei dem gewaltigen Beben in der Himalaya-Region am 25. April 2015 und an den folgenden Tagen stürzten nach Regierungsangaben mehr als 600.000 Häuser ein.

Der nepalesische Offizier berichtete jetzt bei der DiMiMED von den Erkenntnissen, die diese Katastrophe mit sich gebracht hat. So müsse künftig die Hilfe nach solchen Tragödien noch schneller und wirksamer – beispielsweise durch die vorausschauende Lagerung von Rettungsmaterial – einsetzen, erklärte Rana. Zugleich müsse die Kommunikation sowie die Koordination der Hilfe verbessert werden. Nach dem Erdbeben im April letzten Jahres sei in Nepal die Telefonkommunikation zusammengebrochen. Dies habe das Führen und den gezielten Einsatz der sanitätsdienstlichen Kräfte wesentlich erschwert.

Kommende Herausforderung verlangen nach multinationalen Antworten

Auf dem Programm der zweitägigen Fachkonferenz, an der auch Wehrmediziner aus der Volksrepublik China und aus Russland teilnahmen, standen weitere Fachvorträge zu aktuellen Themenfeldern. So befassten sich am Dienstag verschiedene Foren mit Katastrophenmedizin, der psychologischen Versorgung von Terror- oder Katastrophenopfer, der medizinischen Hilfe für Flüchtlinge und den Bedrohungen durch ABC-Waffen. Am Mittwoch folgten nach dem Generalthema „Traumatologie“ zahlreiche Sachstands- und Erfahrungsberichte zu aktuellen Forschungsprojekten und Einsätzen.

Referenten und Teilnehmer dieser Fachkonferenz waren am Ende mehr denn je davon überzeugt, dass künftig schwere Bewährungsproben für die Katastrophen- und Wehrmedizin nur gemeinsam – im multinationalen Verbund – bestanden werden können.


Zu unserer Bildfolge:
1. Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps, Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitätsdienstes, bei seiner Rede zu Beginn der diesjährigen DiMiMED (International Conference on Disaster and Military Medicine) in Düsseldorf.
(Foto: Constanze Tillmann/Messe Düsseldorf)

2. Die DiMiMED ist eine etablierte Konferenz im Rahmen der Fachmesse MEDICA. Militärmediziner aus der ganzen Welt erläuterten am 15. und 16. November 2016 im Congress Center Düsseldorf die Strukturen ihrer Fachbereiche, die verschiedenen Aufgabenfelder und speziellen Arbeitsbedingungen und diskutierten Möglichkeiten und Formen einer internationalen Zusammenarbeit. Das Bild zeigt Konferenzteilnehmer während eines Vortrages.
(Foto: Constanze Tillmann/Messe Düsseldorf)

3. DiMiMED 2016 – die Veranstalter konnten in Düsseldorf Teilnehmer aus gut 30 Ländern begrüßen.
(Foto: Constanze Tillmann/Messe Düsseldorf)

Kleines Beitragsbild: Symbolbild „Versorgung von Anschlagsopfern“. Die Aufnahme entstand bei der MEDICA während einer Lehrvorführung.
(Foto: Constanze Tillmann/Messe Düsseldorf)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN