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Berlin. Es ist gut sechs Jahre her, dass deutsche Medien von einem Aus für das Projekt HiROS berichteten. Bei HiROS – High Resolution Optical System – handelte es sich um einen Verbund von drei Satelliten, der ab 2014 aus rund 500 Kilometer Höhe die Erdoberfläche detailliert hätte abbilden sollen. Selbst Objekte von 50 Zentimeter Größe hätte der Auswerter noch deutlich erkennen können. Das System war für kommerzielle Zwecken und für Einsätze im Katastrophenschutz geplant, sollte aber auch zu 30 Prozent dem Bundesnachrichtendienst (BND) zur Verfügung stehen. Letztendlich war die damalige Bundesregierung aber nicht bereit, eine dreistellige Millionensumme in das Vorhaben zu stecken. Entschieden hatte sie dies im Sommer 2010. Das Nachrichtenmagazin Spiegel zitierte am 8. Januar 2011 in seinem Beitrag „Bund will kein Geld für Spionagesatelliten ausgeben“ den Pressesprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Andreas Schütz. Dieser wollte damals trotz negativer Regierungsentscheidung die Hoffnung nicht aufgeben und sagte dem Magazin: „In der Raumfahrt hatten wir viele Projekte, die nicht auf Anhieb funktionierten.“ Er wird jetzt von einer Trendwende bestätigt …

Nun soll der BND doch noch und erstmalig eigene Satelliten erhalten. Wie die Kollegen des Rechercheverbundes von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR berichteten, hat das geheim tagende Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses auf Vorschlag des Bundeskanzleramtes in der vergangenen Woche erste Haushaltsmittel für das Projekt bewilligt. Die Bundesregierung begründet die Beschaffung vor allem mit der veränderten Sicherheitslage im europäischen Raum und mit der gestiegenen Bedrohung durch Terrorismus.

Entwickelt werden soll das Satellitensystem – so die Autoren Georg Mascolo und Reiko Pinkert – mithilfe der Bundeswehr und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Die Kostenschätzung beläuft sich auf mindestens 400 Millionen Euro. Spätestens im Jahr 2022 sollen die Satellitenkameras erste hochauflösende Bilder liefern.

Bisher abhängig vor allem von der Bundeswehr und Partnerdiensten

Nach den Informationen, die der Rechercheverbund erhielt, soll der BND zunächst „ein technisches Entwicklungskonzept vorlegen und eine Firma finden, die den eigens zu entwickelnden Spähapparat“ entwirft und baut. Bislang erhält der deutsche Auslandsnachrichtendienst für seine Arbeit Daten von der Bundeswehr, von Partnerdiensten oder kauft auf dem freien Markt ein.

Die Bundeswehr verfügt seit rund zehn Jahren mit dem System SAR-Lupe (SAR: Synthetic Aperture Radar) über Fähigkeiten in der weltweiten satellitengestützten Radar-Aufklärung. Das von dem Bremer Unternehmen OHB SE entwickelte und gebaute System besteht aus fünf Satelliten und einer Bodenstation. Die technische Lebensdauer von SAR-Lupe endet „voraussichtlich“ – so eine Auskunft der Bundesregierung vom 23. April 2013 – Ende des nächsten Jahres.

Mittlerweile ist mit SARah bereits ein Nachfolgeprojekt in Arbeit. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte am 26. Juni 2013 für dieses etwa 816 Millionen teure Rüstungsprojekt seine Zustimmung erteilt. Hauptauftragnehmer bei SARah ist ebenfalls das Technologieunternehmen OHB (wir berichteten).

Lästereien über Frankreich kosteten Spitzenmanager den Job

Der Name der norddeutschen Firma spielte auch beim geplatzten BND-Projekt HiROS eine tragende Rolle.

Als am 28. November 2010 die Enthüllungsplattform Wikileaks die Veröffentlichung von mehr als 250.000 Diplomaten-Depeschen startete, war unter den Papieren auch eine Notiz zum geplanten HiROS-Spionagesystem. Die norwegische Zeitung Aftenposten, die nach eigenen Angaben Zugriff auf alle „geleakten“ Papiere erhielt, dokumentierte im Januar 2011 ausgewählte Depesche, darunter auch diese.

Das Memo aus der US-Botschaft in Berlin vom 20. November 2009 befasst sich mit der geplanten Beschaffung von HiROS für den BND und nennt „OHB-System“ als möglichen Hauptauftragnehmer für das Vorhaben. Gleichzeit weist der Verfasser der Depesche darauf hin, dass die Pläne der Bundesregierung mit „der Dominanz Frankreichs in Europa bei der elektro-optischen Datensammlung“ kollidieren könnten. Dies habe sich aus Gesprächen mit Berry Smutny [zum damaligen Zeitpunkt erst wenige Wochen Vorstandsvorsitzender der OHB-System AG] am 2. Oktober 2009 ergeben.

Smutny, der laut US-Depesche auch davon gesprochen haben soll, dass Frankreich das HiROS-Vorhaben „torpedieren“ werde, wurde später als erster Topmanager in Deutschland aufgrund der Wikileaks-Enthüllungen von OHB gefeuert. Unter anderem zitierte die Depesche ihn mit den Worten: „Frankreich ist das Reich des Bösen, das Technologie stiehlt – und Deutschland weiß dies; die deutsche Regierung ist allerdings nicht willens, viel dagegen zu unternehmen.“ Smutny erklärte später an Eides statt gegenüber OHB, die von der US-Botschaft in ihrem Schreiben wiedergegebenen Aussagen nicht gemacht zu haben.


Unser Bild zeigt die Möglichkeiten militärischer Satellitenerkundung: Aufnahme eines optischen US-Spionagesatelliten des Typs KH-11 Kennan von einem Ausbildungslager der Terrororganisation al-Qaida in Afghanistan, vermutlich im Jahr 1998.
(Foto: National Security Archive/George Washington University)

Kleines Beitragsbild: Rückwärtige Ansicht der neuen BND-Zentrale in Berlin.
(Foto: Fridolin Freudenfett/Wikipedia/unter Lizenz CC BY-SA 4.0; vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de)


Kommentare

  1. Walter | 19. Januar 2020 um 23:26 Uhr

    Es gibt weiß Gott genug Erdbeobachtungsatelliten mit guter Auflösung, da braucht der BND nicht noch welche! Einfach bei Maxar Technologies einkaufen 🙂

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