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Berlin. Es bleibt dabei – wo „von der Leyen“ draufsteht, ist oft eine Überraschung drin. So auch beim Interview der Verteidigungsministerin mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Ausgabe vom 24. Juli). Im Gespräch mit Ralph Bollmann und Inge Kloepfer verriet die CDU-Politikerin: „Die Bundeswehr ist dabei, in einem Pilotprojekt zunächst mehr als hundert Flüchtlinge in zivilen Fähigkeiten auszubilden – in Handwerk, Technik, Medizin, Logistik.“ Die Idee dahinter sei, so von der Leyen, dass diese Menschen eines Tages nach Syrien zurückgehen und dort dann beim Aufbau helfen.

Sollte es in dem Land „eines Tages wieder eine friedliche, verantwortungsvolle Regierung“ geben, dann könne Deutschland gemeinsam „mit anderen Partnernationen“ dort auch die Ausbildung von Sicherheitskräften unterstützen. Als Soldaten bei der Bundeswehr sollten diese Flüchtlinge allerdings nicht eingesetzt werden, sagte die Ministerin ihren beiden Gesprächspartnern.

Die Bundeswehr konkurriere mit der Wirtschaft um „die besten Köpfe“ – Techniker, Ingenieure, IT-Fachleute. Und sie spüre den demografischen Wandel stärker, zumal „sie nur Bewerber mit deutschem Pass“ einstelle. Von der Leyen warb deshalb auch in ihrem Interview: „Für unsere vielfältigen Aufgaben brauchen wir Leute mit unterschiedlichsten Erfahrungen und Kompetenzen: Männer und Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder mit unterschiedlicher sexueller Orientierung.“

Bundesregierung will eines Tages Streitkräfte für EU-Ausländer öffnen

Vor Kurzem erst hat die Bundesregierung mit einer Passage im neuen „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ eine Diskussion um völlig neue Wege bei der Deckung des militärischen Personalbedarfs angestoßen.

Auf Seite 120 des Grundlagendokuments lesen wir: „Nicht zuletzt böte die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für die personelle Robustheit der Bundeswehr, sondern wäre auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive.“

Ministerin von der Leyen hatte bei der Vorstellung des Weißbuches erklärt, diese Passage sei „bewusst offen formuliert“ worden. Es gebe noch viele Fragen zu klären, auch mit den anderen EU-Ländern. „Es lohnt sich aber, diese Diskussion zu führen“, so ihr Credo.

Wehrbeauftragter Bartels hält Regierungsvorschlag „für ein gutes Signal“

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels, kann sich mit der Idee „EU-Ausländer in der Bundeswehr“ offenbar anfreunden. „Ich halte das für ein gutes Signal“, so Bartels gegenüber der Welt am Sonntag. Es sei „durchaus vorstellbar, dass die Bundeswehr für manchen jungen Europäer eine attraktive Perspektive ist“. Voraussetzung sei allerdings immer die Kenntnis der deutschen Sprache.

Auch der Reservistenverband begrüßt die Idee. „Warum sollten wir jemanden, der sich bewusst für den Dienst in der Bundeswehr entscheidet, grundsätzlich abweisen?“, sagte vor wenigen Tagen der stellvertretende Verbandspräsident und SPD-Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post. „Die Verpflichtung nichtdeutscher Staatsbürger brächte für eine Parlamentsarmee wie die Bundeswehr allerdings Schwierigkeiten mit sich, die wir diskutieren müssen“, räumte Brunner ein. „Ausschließen sollten wir es dennoch nicht.“

Bundeswehr-Verband reagiert auf Weißbuch-Passage mit Ablehnung

Mit Skepsis reagiert der Deutsche Bundeswehr-Verband (DBwV) auf den Weißbuch-Vorschlag. Bei aller Offenheit für neue Vorschläge gebe es ein paar Punkte, die aus Sicht der Interessenvertretung „nicht verhandelbar“ seien. Dazu Bundesvorsitzender André Wüstner: „Die deutsche Staatsangehörigkeit ist für uns elementar und muss es bleiben – wegen des besonderen gegenseitigen Treueverhältnisses von Staat und Soldat sowie aufgrund der entsprechenden Bindung an das Grundgesetz.“ Der Soldatenberuf sei kein Beruf wie jeder andere. Daher dürften der rechtliche Rahmen und die wertebezogene Führungsphilosophie niemals verwässert werden.

Weiter erklärte Wüstner: „Die Bereitschaft, im Zweifel für das zu sterben, was im Kopf und Herzen ist, kann nicht für eine Bereitschaft zu Selbigem für jeden beliebigen Staat oder Arbeitgeber gelten. Gerade die soldatische Identität hat eine enorme nationale Ausprägung – trotz europäischen Wertesystems. Das muss der Politik immer wieder bewusst gemacht werden.“

Unionspolitiker erinnert an gegenseitiges Treueverhältnis von Staat und Soldaten

Der Innenexperte der CDU, Wolfgang Bosbach, lehnt eine Öffnung der Bundeswehr für EU-Ausländer ebenfalls ab. „Dieser Vorstoß überrascht“, sagte er unmittelbar nach der Vorstellung des Weißbuches der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Bislang habe die Union immer die Überzeugung vertreten, dass „das ganz besondere, gegenseitige Treueverhältnis von Staat und Soldaten die deutsche Staatsangehörigkeit für einen Dienst in der Bundeswehr zwingend notwendig macht“, erklärte Bosbach. Nach Ansicht des CDU-Politikers sollte es „dabei auch bleiben“.

Bundeswehr fährt Migrantenhilfe für Länder und Gemeinden allmählich zurück

Zum Schluss noch das Neueste von der Flüchtlingshilfe der Streitkräfte. Bis zu 9000 Bundeswehrangehörige waren zu Spitzenzeiten im November vergangenen Jahres täglich im Einsatz. Verteidigungsministerin von der Leyen hatte bereits signalisiert, dass dies kein Dauereinsatz werden soll. Wenn sich die Lage entspanne, werde sich die Truppe zum Sommer dieses Jahres aus der Flüchtlingshilfe zurückziehen.

Nach Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung unterstützten Mitte Juli noch etwa 830 militärische und zivile Beschäftigte die Flüchtlingshilfe. Wann definitiv Schluss ist, darauf will sich Generalmajor Klaus von Heimendahl, Leiter des Koordinierungsstabes „Flüchtlingshilfe“ im Verteidigungsministerium, derzeit jedoch nicht festlegen. In ihrem Beitrag für das Nachrichtenformat mdrAKTUELL zitiert ARD-Korrespondentin Cecilia Reible den General mit den Worten: „Es bleibt die Absicht des Verteidigungsministeriums, die bundesweit in der Amtshilfe noch gebundenen Kräfte in Absprache mit den Bedarfsträgern schrittweise weiter herauszulösen und in ihre originären Aufgaben zurückzuführen.“

Rund 320 Bundeswehrsoldaten stehen laut Ministerium momentan in den Bundesländern als sogenannte „schnelle Unterstützungskräfte“ auf Abruf bereit. Rund 260 Soldaten helfen derzeit noch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nur noch knapp 40 Soldaten sind dem Ministerium zufolge in Langzeitprojekten gebunden. Dazu zählen die Unterstützung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Berlin und der Einsatz in der Erstaufnahmeeinrichtung im niedersächsischen Fallingbostel.


Unsere Aufnahme zeigt Seiten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24. Juli 2016. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen äußerte sich in dieser Ausgabe unter anderem über die Anschläge von Würzburg und München, die Lage in der Türkei und die „Kosten der Armee in gefährlichen Zeiten“. Tenor ihres Interviews: „Sicherheit hat ihren Preis!“
(Foto: Christian Dewitz)


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