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Berlin/Erbil (Irak). Sturmgewehre und Pistolen aus Beständen der Bundeswehr, offiziell geliefert von der Bundesregierung an die kurdische Autonomieregierung im Nordirak zur Bekämpfung der Terrorbewegung „Islamischer Staat“ (IS), sind bereits in die falschen Hände geraten. Wie eine gemeinsame Recherche von NDR und WDR im Irak vor etlichen Wochen ergeben hatte, konnten deutsche Handfeuerwaffen in den Städten Erbil und Suleimaniya auf Waffenmärkten erworben werden. Nach der Ausstrahlung des Beitrages durch das Erste in den Tagesthemen baute die Bundesregierung Druck auf. Sie forderte ihre kurdischen Partner ultimativ auf, die Vorwürfe rasch und umfassend aufzuklären und derartige Vorfälle künftig zu unterbinden. Die kurdische Regionalregierung präsentierte jetzt erste Untersuchungsergebnisse.

Die Reporter von NDR und WDR – Volkmar Kabisch, Georg Heil und Amir Musawy – hatten recherchiert, dass beispielsweise deutsche G3-Sturmgewehre, Baujahr 1986, auf den Waffenmärkten im Nordirak zu einem Preis zwischen 1450 und 1800 US-Dollar angeboten werden. Im Schaufenster eines Waffengeschäftes in Suleimaniya hatten sie eine Bundeswehr-Pistole P1 des deutschen Herstellers Walther entdeckt. Kaufpreis: 1200 US-Dollar (wir berichteten).

In der ersten Märzwoche nun erhielt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen Zwischenbericht der kurdischen Regionalregierung zum Verbleib der aus Deutschland gelieferten Handfeuerwaffen.

Mehr als die Hälfte der Waffen bei Gefechten mit dem IS abhandengekommen

Die Bundesregierung hatte im September 2014 damit begonnen, neben militärischer Ausbildung und Beratung den Peschmerga auch Waffen für ihren Kampf gegen den IS zur Verfügung zu stellen. Die bisherigen Lieferungen aus Deutschland an die Kurden im Nordirak umfassten mehr als 28.000 Handfeuerwaffen (Pistolen P1, Sturmgewehren G3 und G36 sowie Maschinengewehre). Alles in allem haben die mittlerweile überlassenen 1800 Tonnen Waffen, Munition und Ausrüstung einen Gesamtwert von etwa 70 Millionen Euro.

Das Verteidigungsministerium nannte am vergangenen Mittwoch (9. März) einige Details aus dem vorläufigen Untersuchungsbericht der Regionalregierung in Erbil. Demnach sollen seit Beginn der deutschen Lieferungen 88 Waffen abhandengekommen sein. Mehr als die Hälfte der Verluste sollen während der Gefechtshandlungen mit dem IS entstanden sein. Nachweislich verkauft oder getauscht worden seien insgesamt 17 Waffen, so zitiert das Ministerium aus dem Bericht. Von weiteren 16 deutschen Waffen sei der Verbleib noch ungeklärt.

Kurdische Regionalregierung wird Waffenverluste weiter streng sanktionieren

Nach wie vor gebe es „keine Anhaltspunkte für einen systematischen Missbrauch“, so das Verteidigungsministerium weiter. Das Peschmerga-Ministerium habe darüber informiert, dass zehn Kämpfer inhaftiert und Strafverfahren eingeleitet worden seien. Das entschiedene Vorgehen zeige, wie ernst die kurdische Regionalregierung diese Vorfälle nehme.

Wie dem Bericht aus Erbil außerdem zu entnehmen ist, sollen „weitere Verdächtige allerdings nach Europa geflüchtet“ sein. Das Ministerium in Berlin: „Nach Angaben der Peschmerga werden Waffenverluste auch weiterhin streng sanktioniert und alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um den Handel zu unterbinden.“

Nach Informationen der Tagesschau wurden die Obleute im Verteidigungsausschuss des Bundestages bereits von Generalinspekteur Volker Wieker und Stephan Steinlein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts, über die kurdischen Untersuchungsergebnisse unterrichtet.


Die beiden Aufnahmen zu unserem Beitrag entstanden am 26. Januar 2016 in einem Trainingslager der Peschmerga in der Nähe von Erbil. Bundeswehrausbilder bereiten hier kurdische Kämpfer in einem sechs Wochen dauernden Infanterie-Grundkurs auf ihre Einsätze gegen den IS vor.
(Fotos: Jessica Hurst/U.S. Army)


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