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Rostock-Warnemünde. Russlands expansiver Kurs und aggressive Außenpolitik lassen so manchen westlichen Experten ratlos zurück. Erkennbar wurde dies auch beim Internationalen Maritimen Symposium, das am Dienstag dieser Woche (15. November) im Marinekommando in Rostock stattfand. Kann man bereits von einem neuen „Kalten Krieg“ sprechen – einer neuerlichen existenzbedrohenden Konfrontation mit dem Kreml? „Russland ist nicht der Feind der NATO – aber es ist ein Superproblem“, meint der ehemalige Vorsitzende des Militärausschusses der Allianz, Knud Bartels. Der dänische General a.D. war einer der Teilnehmer dieser sicherheitspolitischen Veranstaltung, zu der Marineinspekteur Andreas Krause eingeladen hatte. Feierlicher Rahmen für das Symposium war das Jubiläum „60 Jahre Deutsche Marine“, das am Dienstagabend mit einem Großen Zapfenstreich im Marinestützpunkt Warnemünde gewürdigt wurde. Vizeadmiral Krause hatte zuvor gegenüber Pressevertretern erklärt, dass man bis zum Jahr 2030 rund 130 Milliarden Euro in die Bundeswehr investieren werde. Auch die Marine werde davon massiv profitieren.

An dem Symposium nahmen zahlreiche Gäste aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Militär teil. Leitthema war die Frage nach der Zukunft der europäischen Seestreitkräfte besonders vor dem Hintergrund der russischen Herausforderung der NATO.

Einen Blick auf die Nordflanke des Bündnisses warfen in Rostock dabei neben Knud Bartels auch der britische Vizeadmiral Clive Johnstone (Befehlshaber des Allied Maritime Command der NATO in Northwood und erster maritimer Berater der NATO), Stefanie Babst (NATO-Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit) sowie Konteradmiral Jean Martens (Abteilungsleiter „Einsatz“ im Marinekommando). Moderator der Podiumsdiskussion war Karl-Heinz Kamp, Präsident der Berliner Bundesakademie für Sicherheitspolitik.

Seegebiet zwischen Dänemark und Baltikum von großer Bedeutung für die NATO

Vizeadmiral Krause bezeichnet die Lage im Nordflankenraum der Allianz als „massiv verändert“. Entscheidende Koordinaten dieses geostrategischen Wandels auch im Ostseebereich sind die völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 und der anschließende russisch-ukrainische Dauerkonflikt. Der Marineinspekteur sagte dazu im „Hansesaal“ des Marinekommandos: „Heute müssen wir die Geografie, in der wir operieren, wieder neu entdecken.“ Denn im Krisenfall werde das Seegebiet zwischen Dänemark und dem Baltikum „zur Lebensader“ für die NATO-Partner Estland, Lettland und Litauen.

Fünf neue Korvetten, zwei weitere Uboote und sechs Mehrzweckkampfschiffe

Rückblick: In einem ausführlichen Interview mit der Tageszeitung Die Welt (veröffentlich am 12. Juni dieses Jahres) hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sich auch zu den Erhöhungen des Verteidigungsbudgets in den kommenden Jahren geäußert. Sie hatte erklärt: „Ich bin sehr dankbar für die geplante Aufstockung des Etats, aber wir brauchen über das Plus von 10,2 Milliarden Euro bis 2020 hinaus in den kommenden 15 Jahren einen weiteren schrittweisen Aufwuchs, um die hohlen Strukturen wieder aufzufüllen. Das gesamte Investitionsvolumen bis 2030 beträgt 130 Milliarden Euro.“

Vizeadmiral Krause kündigte nun bei dem internationalen Symposium an, dass bei der Marine unter anderem der Bau fünf neuer Korvetten geplant sei. Ferner sehe die Planung zwei Uboote, sechs statt vier Mehrzweckkampfschiffe (MKS) sowie die Modernisierung der acht Seefernaufklärer P-3C Orion für die Ubootjagd vor. Auf der Agenda stünden außerdem mehrere Hubschrauber der Klasse Sea Lion sowie der Ersatz der Hubschrauber Sea Lynx.

Angesichts der zahlreichen neuen Aufgaben für die Bundeswehr begrüßte Krause bei der Rostocker Veranstaltung einmal mehr die Notwendigkeit einer Trendwende in den Bereichen Personal, Material und Finanzen.

Das Bündnis muss jetzt dringend sein Abschreckungspotenzial überdenken

Wie heftig Putins Russland den Westen 2014 auf dem falschen Fuß erwischt hat, belegte Vizeadmiral Johnstone bei der Veranstaltung in Rostock. Er beklagte: „Wir verstehen Russland nicht. Wir haben alle Indikatoren verpasst, die auf die Krise von heute hingedeutet haben.“ Die NATO müsse deshalb dringend neu über ihr Abschreckungspotenzial nachdenken. Der Kommandeur des Allied Maritime Command nannte auch die „Hotspots“, auf die jetzt alle Aufmerksamkeit gerichtet werden müsste: „Russland, Syrien, Schwarzes Meer, Nordafrika und vor allem den Atlantik.“

Auch Öffentlichkeitsarbeiterin Babst räumte bei der Podiumsdiskussion ein, dass der Westen den Status quo vor 2014 – als es mit den USA lediglich eine Großmacht gegeben habe – lange als dauerhafte Normalität begriffen und kaum mit derart einschneidenden Veränderungen gerechnet habe. Nun wolle Russland aber mit aller Macht die Regeln der Weltpolitik ändern, um wieder Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten zu erreichen. Die aggressive Außenpolitik Moskaus habe zunächst selbst viele ausgewiesene Experten verblüfft, so Babst.

Was ist zu tun? Konteradmiral Martens nannte auf dem Podium einige Maßnahmen, die die NATO angesichts der zunehmenden Herausforderungen bereits ergriffen habe. Er begrüßte ausdrücklich die Entscheidung, mehr Geld als bislang in die Verteidigung zu investieren. Lobenswert sei auch die Absicht, die Flotten wieder zu vergrößern. Unbedingt ausgeglichen werden müsse der Mangel an kleinen und mittleren Schiffen. Solange dies nicht geschehen sei, so Martens, müssten im Ostseeraum Kooperationen mit verbündeten Ländern „identifiziert“ werden.

Konsens herrschte in der Runde über eine grundsätzliche Frage. Nein, man könne keinesfalls von einem neuen „Kalten Krieg“ sprechen. Allerdings müssten sich westliche Strategen von konventionellen Denkmustern verabschieden, wollten sie Russlands Verhalten verstehen.


Zu unseren Bildern:
1. Die Aufnahme vom 15. November 2016 zeigt die Teilnehmer der Podiumsdiskussion des Internationalen Maritimen Symposiums in Rostock. Von links: Vizeadmiral Clive Johnstone, Stefanie Babst, Moderator Karl-Heinz Kamp, General a.D. Knud Bartels und Konteradmiral Jean Martens.
(Foto: Matthias Letzin/PrInfoZ Marine)

2. Es ist vor allem die NATO, die seit fast sieben Jahrzehnten stabile Verhältnisse auf dem europäischen Kontinent garantiert. Angesichts der Unberechenbarkeit Moskaus in der Ära Putin und seiner aggressiven Außenpolitik ist die Zusammenarbeit der Bündnismitglieder, etwa an der maritimen NATO-Nordflanke, heute von existenzieller Bedeutung. Das Bild wurde am 2. Oktober 2016 im norwegischen Sognefjord, dem längsten und tiefsten Fjord Europas, gemacht. Wir sehen Einheiten des ständigen maritimen NATO-Einsatzverbandes 1 (Standing NATO Maritime Group, SNMG) – die spanische Fregatte „Almirante Juan de Borbón“, dahinter die portugiesische Fregatte „Álvares Cabral“, gefolgt von der deutschen Korvette „Ludwigshafen am Rhein“.
(Foto: Luis Sánchez Oller/MARCOM/NATO)


Kommentare

  1. Illoinen | 25. November 2016 um 12:32 Uhr

    Es herrschte offenbar Einigkeit: Putins Russland sei der Aggressor. Ein „Kalter Krieg“ bestehe jedoch nicht. Zumindest noch nicht, denn die Vorzeichen deuten stark in diese Richtung. Oder wird hier schlicht „Kalter Krieg“ mit „Heißer Krieg“ verwechselt?
    Übrigens: Scheinbar haben diese Marine-Vertreter die Entwicklungen des Westens gegenüber Russland vor 2014 ignoriert oder haben sie insbesondere die Ausdehnung der NATO vergessen?

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