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Amsterdam/Berlin. Am gestrigen Montag (25. Januar) hat die europäische Polizeibehörde Europol das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung (European Counter Terrorism Centre, ECTC) eröffnet. Europol-Direktor Rob Wainwright, ein britischer Kriminalist, bezeichnete in Amsterdam das ECTC als einen „wichtigen Schritt vorwärts“, um eine „aggressive, neue Form des internationalen Terrorismus“ zu bekämpfen. Europol präsentierte zeitgleich zur Eröffnung des Anti-Terror-Zentrums, das seinen Sitz in Den Haag hat, einen Bericht zur aktuellen Terrorgefahr. Die Organisation warnt darin vor erneuten Anschlägen der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Europa. Der IS habe „neue gefechtsartige Möglichkeiten“ entwickelt, um „weltweit eine Reihe groß angelegter Terroranschläge“ zu verüben, so Wainwright.

Zu den Aufgabenbereichen des ECTC werden schwerpunktmäßig Maßnahmen gegen ausländische Kämpfer sowie der grenzüberschreitende Informationsaustausch über Terrorismusfinanzierung, Online-Propaganda und illegalen Waffenhandel gehören. Europol-Chef Wainwright erklärte: „Unser Anspruch ist es, das ECTC zu einer zentralen Informationsdrehscheibe im Kampf der Europäischen Union gegen den Terrorismus zu machen. Wir werden beispielsweise Untersuchungen mit unseren Analysen unterstützen und im Falle von Terroranschlägen bei der Koordinierung der dann eingeleiteten Maßnahmen helfen.“

Die Einweihung des ECTC erfolgte im Rahmen der informellen Tagung der EU-Justiz- und Innenminister in Amsterdam. Sie waren es auch, die die Gründung einer solchen Einrichtung im November vergangenen Jahres – noch ganz unter den Eindrücken der Pariser Anschlagsserie – auf den Weg gebracht hatten.

In dem Zentrum werden vorerst 40 bis 50 Experten arbeiten. Leiter ist der Spanier Manuel Navarrete Paniagua, ein hochrangiger Polizeioffizier der Guardia Civil und erfahrener Anti-Terror-Experte.

Französische Behörden konnten elf Terrorangriffe verhindern

In Frankreich waren am 13. November in der Hauptstadt Paris 130 Menschen durch zeitgleiche Angriffe an insgesamt sechs Tatorten getötet und 368 Menschen verletzt worden. Aktuell gehen die Behörden von neun Tätern aus, die aktiv an den Terrorattacken beteiligt waren (sieben sind mittlerweile identifiziert).

Nach Angaben von Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hatten die französischen Behörden im vergangenen Jahr elf geplante Attentate – ähnlich denen des 13. November – vereiteln können. Der Politiker sagte dies am Sonntag (24. Januar) im Fernsehsender France 5. Ein Anschlag hatte sich Cazeneuve zufolge offenbar gegen ein „Konzert in einer Veranstaltungshalle“ gerichtet. Außerdem seien Angriffe auf Zivilisten „auf den Straßen“ geplant gewesen. Es soll sich – so der Innenminister – um die gleichen Akteure wie bei den Attentaten am 13. November gehandelt haben.

Eine spezielle Kommandostruktur für Anschläge im Ausland

Der November-Terror von Paris markiert nach Ansicht von Europol eine einschneidende Wende der IS-Strategie. Anschläge seien nun international dimensioniert und würden von Spezialkräften ausgeführt. Daneben existierten bereits Schläferzellen des IS im EU-Raum.

Die europäische Polizeibehörde berichtet in ihrem Report „Changes in modus operandi of Islamic State terrorist attacks“, der in komprimierter Form die Ergebnisse zweier EU-Expertentreffen am 29. November und am 1. Dezember zusammenfasst, auch über eine neue, spezielle Kommandostruktur der Terrormiliz. Diese sei extra für Anschläge im Ausland entwickelt worden, so die Geheimdiensterkenntnisse. Es gebe „allen Grund“ zu der Annahme, dass der IS selbst, vom IS inspirierte „Terror-Willige“ oder andere religiös motivierte Gruppen „irgendwo in Europa erneut einen Terroranschlag verüben“, warnt der Bericht. Ziel seien „massenhaft Opfer in der Zivilbevölkerung“.

Bundeskriminalamt kennt derzeit 444 islamistische „Gefährder“

Eine ähnlich unheilvolle Prognose wie jetzt Europol hatte vor knapp zwei Wochen auch das Bundeskriminalamt (BKA) gestellt. In der BILD am Sonntag, Ausgabe vom 17. Januar, hatte BKA-Präsident Holger Münch eingeräumt, dass seine Behörde mit einer lange andauernden terroristischen Bedrohung für Deutschland rechne. Er hatte eingeräumt: „Die Sicherheitslage ist aufgrund der terroristischen Bedrohung sehr angespannt und wird es über Jahre bleiben. Wir sind im Fokus der Islamisten.“ Aktuell gebe es jedoch keinen Hinweis auf einen bevorstehenden Anschlag in Deutschland.

Nach Informationen Münchs haben die Sicherheitsbehörden die sogenannten „Gefährder“ ganz besonders im Blick. Derzeit gebe es 444 islamistische Gefährder, denen das BKA „ganz konkret“ einen Anschlag in Deutschland zutraue. „Von diesen 444 sind derzeit 212 in Deutschland und davon 65 in Haft“, so Münch.

Finanzermittlungen – effektives Instrument gegen Kriminalität und Terrorismus

Das neue Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung verbessert nach Ansicht des niederländischen Justizministers Ard van der Steur die operative Koordination und den Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungsbehörden. Beides sei dringend nötig im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, Terrornetzwerke und ausländische Kämpfer, sagte er zu Beginn der Ministertagung in Amsterdam der Presse.

Europol spielt bei der Antwort Europas auf terroristische Bedrohungen eine zentrale Rolle. So waren der Behörde direkt nach den Pariser Anschlägen im November vergangenen Jahres insgesamt 60 Mitarbeiter des belgisch-französischen Ermittlungsteams „Fraternité“ zugewiesen worden. Diese Taskforce ging danach gut 1600 Hinweisen auf verdächtige Finanztransaktionen nach. Finanzermittlungen sind nach Auffassung von Europol ein effektives Instrument im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus.


Zu unseren Bildern:
1. Europol-Hauptquartier am Eisenhowerlaan im niederländischen Den Haag.
(Foto: Europol)

2. „Changes in modus operandi of Islamic State terrorist attacks“ – Bericht der europäischen Polizeibehörde Europol über die terroristische Bedrohung in Europa durch die Terrorbande des „Islamischen Staates“.
(Hintergrundbild: amk)

3. 10. März 2011 – die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben sich zu einer Gedenkminute für alle Opfer des Terrorismus in Europa erhoben.
(Foto: Pietro Naj-Oleari/European Union)


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