menu +

Nachrichten


Berlin. Es war ein Kick-off-Meeting mit langem Vorlauf! Am 6. September fiel bei Airbus in Manching der Startschuss für eine neue Entwicklungsphase des europäischen Drohnenprogramms MALE RPAS (Medium Altitude Long Endurance Remotely Piloted Aircraft System). An dem Auftakt-Treffen unter Leitung der OCCAR, der Gemeinsamen Organisation für Rüstungskooperation, nahmen Vertreter der am Projekt beteiligten Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien teil. Der Dienstag markierte den Beginn einer auf insgesamt zwei Jahre ausgelegten Definitionsstudie, in der die operationellen Anforderungen der Kundennationen beziehungsweise ihrer Streitkräfte ermittelt und festgeschrieben werden sollen. Die damit beauftragten Unternehmen hatten bereits im Jahr 2013 in Eigeninitiative ihren Regierungen nachdrücklich „eine gemeinsame europäische Drohne mit hoher Reichweite“ empfohlen.

Mit der Definitionsstudie zum European MALE-RPAS-Programm sind die Airbus-Rüstungssparte Airbus Defence and Space (Ottobrunn) sowie die Konzerne Dassault Aviation (Paris) und Leonardo-Finmeccanica (Rom) beauftragt. Die Auftragsvergabe im Namen der vier Programmnationen erfolgte bereits im August durch die OCCAR in Bonn, dem Hauptsitz der Organisation (OCCAR: Organisation Conjointe de Coopération en matière d’Armement/Organisation for Joint Armament Cooperation).

Bei MALE RPAS wird es sich um ein ferngesteuertes Flugsystem für bewaffnete ISTAR-Einsätze der neuesten Generation handeln (ISTAR: Intelligence, Surveillance, Target Acquisition, Reconnaissance/Nachrichtengewinnung, Überwachung, Zielerfassung und Aufklärung). Die Integration in den Luftverkehr und die Zulassung für den stark frequentierten europäischen Luftraum gehören mit zu den wichtigsten Programmzielen.

Nach Abschluss der Definitionsstudie ist ab 2018 die Entwicklungsphase geplant. Der Erstflug des Prototyps der europäischen Drohne soll laut Airbus Anfang 2023 stattfinden. Die Erstauslieferung des Systems ist für das Jahr 2025 vorgesehen.

Zahlreiche überzeugende Argumente für ein Gemeinschaftsprojekt

Zum langen Anlauf: Dassault, Finmeccanica und Airbus (damals noch EADS) hatten bereits vor rund drei Jahren, am 16. Juni 2013, mit einer gemeinsamen Presseerklärung überrascht und für eine europäische Drohnenentwicklung geworben. In ihrem gemeinsamen Appell „an die politischen Entscheidungsträger“ argumentierten die drei Unternehmen damals, dass eine europäische Drohne „mit mittlerer Flughöhe und großer Flugdauer“ nicht nur „ein kritisches Fähigkeitsdefizit der europäischen Streitkräfte ausgleichen“ würde. Zugleich würde ein solches Gemeinschaftsvorhaben auch „die angespannten Budgets der Verteidigungsministerien durch ein Pooling von Forschungs- und Entwicklungsmitteln entlasten“.

Weiter hieß es in dem Firmenappell 2013: „Ein gemeinsames Entwicklungsprogramm berücksichtigt die sensiblen Zertifizierungsanforderungen unbemannter Flugsysteme für den sicheren Betrieb im europäischen Luftraum von Anfang an im Programm.“

Darüber hinaus würde ein derartiges MALE-Projekt „Europas Souveränität und Unabhängigkeit im Bereich Informations- und Aufklärungsmanagement gewährleisten und gleichzeitig ein robustes, gegen Cyber-Angriffe geschütztes System bieten“. Zu erwarten sei außerdem, dass das multinationale Programm „Entwicklungen im Hightech-Bereich“ fördern werde und zur „Erhaltung von Kernkompetenzen und Arbeitsplätzen in Europa“ beitragen könne.

Erneuter Vorstoß der Konzerne im Mai 2014 kurz vor Eröffnung der ILA

Gut ein Jahr später, am 15. Mai 2014, berichteten zunächst Die WELT und das ARD-Hauptstadtstudio über das geplante europäische Drohnenprojekt der drei Firmen. Wenige Tage später präsentierten dann Airbus Defence and Space, Dassault Aviation und Alenia Aermacchi (am 1. Januar dieses Jahres ging Alenia Aermacchi in Leonardo-Finmeccanica auf) den Verteidigungsministern Deutschlands, Frankreichs und Italiens entsprechende Pläne. Der Vorstoß der Industrievertreter erfolgte unmittelbar vor Eröffnung der internationalen Luftfahrtausstellung ILA in Berlin (20. bis 25. Mai 2014).

Bernhard Gerwert, damals Chef der Airbus-Division „Defence and Space“, mahnte vor ILA-Beginn in der Hauptstadt: „Bei unseren Streitkräften besteht eindeutiger Bedarf.“ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen reagierte in jenen Tagen zurückhaltend auf das Firmenangebot. „Es gibt zurzeit keinen Entscheidungsdruck“, so die CDU-Politikerin im Mai 2014.

Mittlerweile jedoch sind Entscheidungen getroffen worden – die Beharrlichkeit des Rüstungskonsortiums scheint belohnt. Aber Vorsicht! Noch wartet so mancher Fallstrick auf die Projektbeteiligten: Zur Definitionsphase gehört unter anderem auch die heikle Frage der Finanzplanung.

Initiatoren versprechen „technologische und operative Unabhängigkeit“

Blicken wir abschließend noch einmal nach Manching, Airbus-Kompetenzzentrum für die militärische Luftfahrt und Forschungs- und Entwicklungszentrum des Unternehmens für die unbemannte Luftfahrt. Beim Kick-off-Meeting am 6. September bezeichnete Dirk Hoke, Chief Executive Officer von Airbus Defence and Space, den Dienstag als „Meilenstein in einer innovativen Partnerschaft“. Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen europäischen Nationen, Verteidigungsministerien und Industrien sei eine wichtige Aufgabe, um Souveränität und Unabhängigkeit zu verbessern.

Eric Trappier, Chairman und Chief Executive Officer von Dassault Aviation, äußerte sich ebenfalls sehr optimistisch. „Dieses Kooperationsprogramm wird Europa zu einer industriellen Führungsrolle und zur Autonomie im strategisch wichtigen Bereich der Überwachungsdrohnen verhelfen und die Streitkräfte mit hochleistungsfähigen und souveränen Systemen ausstatten“, sagte der Franzose beim Auftakt-Treffen in Manching.

Das europäische MALE-RPAS-Programm biete die einzigartige Chance, die für Europa so entscheidende Entwicklung von Wissen, Fähigkeiten und Arbeitsplätzen im Hightech-Bereich voranzubringen, meint Filippo Bagnato. Der Managing Director von Leonardo Aircraft versicherte am 6. September: „Auf der Basis der jahrzehntelangen Erfahrung bei gemeinsamen europäischen Militärprogrammen können wir den Teilnehmernationen eine technologische und operative Unabhängigkeit verschaffen.“


Die Aufnahme zeigt ein Modell der möglichen europäischen Drohne, bekannt auch unter dem Projektnamen „MALE 2020“. Das Bild entstand am 19. Juni 2015 bei der internationalen Pariser Air Show in Le Bourget am Messestand von Dassault Aviation.
(Foto: Tiraden/unter Lizenz CC BY-SA 4.0; vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)

Kleines Beitragsbild: Projektstudie MALE 2020.
(Bild: Computergrafik Airbus)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN