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Berlin/Erbil (Irak). Einen Tag vor dem Staatsbesuch des irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi in Berlin veröffentlichte das Bundesministerium der Verteidigung eine Übersicht über weitere geplante Unterstützungsleistungen an die Regierung der Region Kurdistan-Irak. Deutschland handelt auch bei diesen Waffen-, Munitions- und Materiallieferungen als Mitglied einer internationalen Allianz von rund 60 Staaten, die seit Anfang September 2014 mit einer gemeinsamen, vernetzten Strategie gegen die Terrorbanden des „Islamischen Staates“ (IS) vorgehen. Dabei ist es nach Einschätzung der Bundesregierung in den vergangenen Wochen und Monaten gelungen, den „Vormarsch des IS im Irak teilweise zu stoppen, die Terrorvereinigung zurückzudrängen und ihre Schlagkraft lokal und regional einzugrenzen“. Die erneuten Ausrüstungslieferungen an die kurdischen Peschmerga haben einen Gesamtwert von etwa 13 Millionen Euro. Unter anderem gehören 30 weitere Panzerabwehrwaffen MILAN mit 500 Raketen, 200 Panzerfäuste, 4000 Sturmgewehre G3 sowie 10.000 Handgranaten zum Lieferumfang.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Ministerpräsident al-Abadi am gestrigen Freitag (6. Februar) um 13 Uhr mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Im Mittelpunkt des Treffens standen die aktuelle Situation im Irak, insbesondere der Kampf gegen den IS, die innenpolitischen Entwicklungen des Landes sowie die Lage in den Nachbarstaaten.

Destabilisierung einer ganzen Region wirkt sich auch auf Europa aus

Merkel versicherte ihrem Gast, Deutschland wolle an der Seite des Iraks stehen und angesichts der riesigen Probleme helfen. Zum Thema „Terrormiliz Islamischer Staat“ sagte die Kanzlerin: „Wir stehen – was den Kampf gegen den IS anlangt – vor riesigen Herausforderungen.“ Die Dschihadisten destabilisierten die gesamte Region, dies habe auch Auswirkungen auf die Bundesrepublik. Die Expansion des IS-Terrors müsse unbedingt aufgehalten werden. „Wir sind Zeugen unglaublicher Gräueltaten geworden“, so Merkel. Der IS bedrohe nicht nur Minderheiten, vielmehr müsse jeder, der sich gegen diese Extremisten wehre, das Schlimmste fürchten.

„Eine derart weitreichende Destabilisierung einer ganzen Region wirkt sich auch auf Deutschland, auf Europa aus“, erklärte die Bundeskanzlerin. Wenn wie im Irak ein Fundament für religiöse Fanatiker geschaffen würde, „wächst auch für uns die Gefahr, dass unsere Sicherheitsinteressen betroffen sind“. An die Adresse ihres Gastes gerichtet betonte sie auch, dass der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ nur mithilfe einer starken irakischen Regierung und unter Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen im Land gewonnen werden könne.

Deutsche Lieferungen haben „wesentlich zum Erfolg der Peschmerga“ beigetragen

Deutschlands bisherige Unterstützungsleistungen für den Irak sind nach Regierungsdarstellung eingebettet in einen breiten humanitären und politischen Gesamtansatz. Seit Verschärfung der Krise im Irak im Jahr 2014 beläuft sich die deutsche humanitäre Hilfe mittlerweile auf rund 53,22 Millionen Euro. Für Entwicklungsmaßnahmen für Flüchtlinge und aufnehmende Gemeinden sind bislang rund 66,5 Millionen Euro bereitgestellt worden, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Schulen, Gesundheitszentren, soziale und psychotraumatische Behandlung, Kinderschutz und Ernährung.

Im Einvernehmen mit der irakischen Zentralregierung wurden schließlich auch die Sicherheitskräfte der Region Kurdistan-Irak, die Peschmerga, mit militärischer Ausrüstung und Gerät ausgestattet. Die Lieferung erfolgte zwischen dem 5. September und 4. November vergangenen Jahres in drei Tranchen (siehe auch hier). Das gesamte Wehrmaterial stammte aus Bundeswehrbeständen und hatte einen Wert von etwa 70 Millionen Euro.

In einem am 5. Februar veröffentlichten Pressetext des Verteidigungsministeriums zur „Fortsetzung der deutschen Unterstützungsleistungen für den Kampf gegen den IS“ heißt es: „Die kurdische Regionalregierung hat bestätigt, dass die überlassene militärische Ausrüstung wesentlich zum Erfolg der Peschmerga im Kampf gegen die Terrormiliz ,Islamischer Staat‘ beigetragen hat und ausschließlich vereinbarungsgemäß verwendet wurde und wird.“

Der Bundestag hat darüber hinaus am 29. Januar der deutschen Beteiligung an einer Ausbildungsmission für irakische Streitkräfte und kurdische Peschmerga-Kämpfer zugestimmt. Bis zu 100 Bundeswehrsoldaten können dafür abkommandiert werden. Deutschland wird gemeinsam mit anderen Nationen – Italien, Niederlande und skandinavische Partner – Ausbildungsmodule in Nordirak anbieten. Dabei soll der Fokus nach Informationen der Bundesregierung neben der Grundausbildung vor allem auf dem Sanitätsdienst, auf der Beseitigung von Minenfallen und auf Führung und Taktik liegen. Ziel der Ausbildungsmission ist es, die Sicherheitskräfte der Regionalregierung von Kurdistan-Irak sowie Angehörige der irakischen Streitkräfte zu trainieren und sie so besser für den Kampf gegen den IS zu wappnen (siehe auch hier).

Irak hofft besonders auf deutsche Hilfe bei der Kampfmittelbeseitigung

Ministerpräsident Haider al-Abadi, der auch an der 51. Münchner Sicherheitskonferenz (6. bis 8. Februar) teilnehmen wird, beantwortete nach seinem Gespräch mit Angela Merkel in der anschließenden Pressekonferenz im Bundeskanzleramt noch einige spezielle Fragen zu den deutschen militärischen Unterstützungsleistungen.

Von einem Journalisten angesprochen auf den vorrangigen Bedarf seiner Sicherheitskräfte sagte al-Abadi: „Absolute Priorität hat für uns die Ausbildung im Aufspüren und in der Entschärfung von Landminen. Die terroristische Vereinigung IS ist in der Lage, solche Sprengsätze und Sprengfallen überall auszubringen. Dies erhöht zwangsläufig die Zahlen der militärischen und zivilen Opfer. Wir brauchen hier dringen die Ausbildungsunterstützung von Deutschland, um dieser Gefahr Herr zu werden. Ich kann mir vorstellen, dass diese Ausbildung als Teil einer humanitären, aber auch als Teil einer militärischen Unterstützung angesehen werden kann.“

Der Irak benötige dringend nicht-letale Ausrüstung, besonders aber auch letale, so al-Abadi weiter. Vor allem die „Foreign Fighters“ (Anm.: ausländische Kämpfer, die sich der Dschihadistengruppe „Islamischer Staat“ anschließen) verursachten in seinem Land eine große Zerstörung der Infrastruktur. „Das ist nicht nur eine Bedrohung des Iraks, sondern eine weltweite Bedrohung. Je länger dieser Konflikt andauert, desto mehr zusätzliche Kompetenzen und Kapazitäten wird der IS erlangen. Es gibt ein wahres und grundsätzliches Interesse des Iraks und der Internationalen Gemeinschaft, dem IS ein Ende zu setzen. Aber ohne richtige internationale Unterstützung werden wir das nicht schaffen.“

Der Ministerpräsident appellierte abschließend bei der Pressekonferenz an die Weltöffentlichkeit: „Wir sind vielleicht der einzige Staat, der militärisch am Boden gegen den IS vorgeht – deswegen brauchen wir die permanente Unterstützung Deutschlands und der Staaten der internationalen Allianz, um den IS endgültig zu besiegen. Wir können das innerhalb einer Rekordzeit schaffen, wenn wir die notwendige Unterstützung bekommen.“

Kurdische Peschmerga-Einheiten beklagen rund tausend Gefallene

Der Krieg gegen den IS fordert auch aufseiten der Peschmerga-Kämpfer einen hohen Blutzoll. Jabbar Yawar, Generalsekretär des Ministeriums der kurdischen Peschmerga-Einheiten, nannte bei einer Pressekonferenz am 4. Februar Zahlen. Im Zeitraum 10. Juni 2014 bis 3. Februar 2015 sollen demnach rund 999 Angehörige der Peschmerga bei Gefechten mit den Dschihadisten umgekommen sein. 4569 kurdische Frauen und Männer seien verletzt worden.

In einem Interview am 3. Februar hatte Masud Barzani, Präsident der irakischen Kurdenregion, von bislang rund 3000 getöteten IS-Milizionären innerhalb der von den Kurden zurückeroberten Gebiete gesprochen.

Entsprechende Bundestagsausschüsse wurden ebenfalls informiert

Die Fortsetzung der deutschen Materiallieferungen in den Irak baut nach Aussage der Bundesregierung auf den bisherigen Unterstützungsleistungen auf. Diese wurden in Abstimmung mit der Zentralregierung in Bagdad, der Regionalregierung in Erbil und den internationalen Partnern weiterentwickelt. Maßstab hierfür waren unter anderem die Wirksamkeit bisheriger Lieferungen sowie der tatsächliche Bedarf der Empfänger. Auch der Umfang der künftigen deutschen Ausbildungsleistung vor Ort in Erbil spielte eine maßgebliche Rolle bei der Auswahl des zu liefernden Materials.

Das Ergebnis wurde am 5. Februar auf Ebene der Staatssekretäre zwischen den Ressorts abgestimmt. Die entsprechenden Bundestagsausschüsse wurden informiert. Folgende militärischen Güter werden nun für die Lieferung an die Peschmerga im Nordirak vorbereitet:

Waffen, Munition, sonstiges Gerät: Panzerabwehrwaffe MILAN plus Ausbildungsgerät (30 Stück/Lenkflugkörper 500), Panzerfaust 3 plus Ausbildungsgerät (200/Munition 2400/Übungsmunition 800), schwere Panzerfaust für die Ausbildung (3/Munition 60), Sturmgewehr G3 plus Ersatzteile (4000/Munition 2.000.000), Sturmgewehr G3 für die Ausbildung (80), Maschinengewehr MG3 plus Ersatzteile und Wartungssätze (10/Munition 508.800), Pistole P1 für die Ausbildung (40), Munition für Sturmgewehr G36 (4.000.000), Handgranaten (10.000), Wartungsausstattung leichte Waffen sowie Ersatzteilpaket G36 (20);

Fahrzeuge, Ersatzteile, Werkzeug: Sanitätsfahrzeug UNIMOG ungeschützt inklusive Sanitätsausstattung (10), Dingo 1 (10), Ersatzräder Dingo 1 (8), Ersatzteile Dingo 1 (Kleinmengen), Ersatzräder Lkw 2 Tonnen UNIMOG (40), Werkzeug UNIMOG (10), Ersatzräder Lkw Wolf geschützt und ungeschützt (20), Werkzeug Lkw Wolf (5);

Sanitätsmaterial: Verbandsmaterial – Nachfüllpackung (5500), Verbandsmaterial – Staubinden (1500);

Bekleidung: Feldmütze für den Winter (6000), Kopf- und Gesichtsschutz (6000), Unterziehjacke mit Kälteschutz (6000), Unterziehhose mit Kälteschutz (6000), Unterhose (6000), Wollschal (2000), Leibbinde (6000), Kniewärmer (5360), Überhandschuh für Winter (6000), Fingerhandschuh für Winter (6000), Kampfschuhe (6000), Überschuhe aus Gummi (6000), Gefechtshelm (6000);

Querschnittliches Material: ABC-Schutzmaske mit Filter (4000), Doppelfernrohr (1500), Minensonde (30), Leuchtensatz Zelte (50), Lebensmittel-Speisebehälter (1250), Lebensmittel-Transportbehälter (850), Lebensmittel-Kocher (400), Wasserfilter für Wasseraufbereitung (150), Waffenschmieröl und Reinigungsdochte zur Pflege der Handwaffen.


Zum Bildangebot:
1. Die Bundeswehr lieferte bereits im Zeitraum 5. September bis 4. November 2014 in drei Tranchen militärische Ausrüstung und Gerät im Einvernehmen mit der irakischen Zentralregierung an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer. Die Aufnahme vom 30. September 2014 zeigt die Ankunft der Ausrüstungsgüter aus Deutschland – unter anderem Waffen und Munition – auf dem Flughafen der nordirakischen Stadt Erbil.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

2. Der Krieg gegen die Terrorbanden des „Islamischen Staates“ fordert auch unter den Peschmerga-Kämpfern viele Opfer. Seit Juni 2014 bis Februar dieses Jahres sollen bereits rund 1000 Soldaten der kurdischen Miliz gefallen sein. Nach Angaben der Autonomieregierung im Nordirak wurden bei der Rückeroberung kurdischer Gebiete bisher etwa 3000 dschihadistische Extremisten getötet. Das Bild zeigt einen kurdischen Kämpfer, der eine schwarze Terrorflagge des IS erbeutet hat.
(Foto: bijikurdistan)


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