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Hamburg/Berlin. Der Bundeswehr drohen erhebliche Probleme bei einem ihrer wichtigsten Transporthubschrauber, dem CH-53. Nach Informationen von NDRInfo und tagesschau.de gibt es innerhalb der deutschen Luftwaffe offensichtlich große Zweifel, ob die Maschinen des Typs „GS“ weiter verwendet werden können. Drei CH-53GS sind derzeit im Rahmen der „Resolute Support Mission“ in Afghanistan im Einsatz. NDRInfo und tagesschau.de zitierten am Mittwoch (11. März) aus einem internen Papier des Kommandos Luftwaffe. Das Kommando mit Luftwaffeninspekteur Karl Müllner an der Spitze bildet die zentrale Führung der Teilstreitkraft und untersteht direkt dem Verteidigungsministerium.

Wie Christian Thiels (tagesschau.de) und Arne Meyer (NDRInfo) in ihrem gemeinsamen Beitrag „Fliegende Lastesel mit Altersschwäche“ und in einer Vorab-Pressemitteilung berichteten, sei die Luftwaffe in ihrer als Verschlusssache – „Nur für den Dienstgebrauch“ – eingestuften internen Bestandsaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass die mit einer speziellen Sicherheitsausstattung ausgerüstete Baureihe CH-53GS veraltet sei. Thiels und Meyer zitieren das Kommando: „Die Baureihe GS [ist] von Obsoleszenzen betroffen, deren Beseitigung durch eine Rüstungsmaßnahme weiterhin nicht entschieden wurde. Insofern besteht ein erhöhtes Risiko ab 2016 in der grundsätzlichen weiteren Nutzung der Baureihe.“

Das Wort „Obsoleszenz“ sei eher ungebräuchlich, meinen die beiden Journalisten. Ihr Kommentar dazu: „Es beschreibt laut Duden die Alterung eines Produkts, das genau dadurch unbrauchbar wird. Wirtschaftswissenschaftler sehen auch fehlenden technischen Fortschritt als eine Ursache solcher ,Obsoleszenzen‘. Wenn dieses Wort nun in einem internen Schreiben der Luftwaffe im Zusammenhang mit Hubschraubern der Bundeswehr auftaucht, lässt das also Übles vermuten.“

Langzeitfolgen von fragwürdigen Standortentscheidungen

Weiter werde in dem Dokument der Luftwaffe davor gewarnt, dass die jetzt getroffene Bestandsaufnahme – so sich nichts ändern sollte – in ihrer Konsequenz „erhebliche Folgen für die Bundeswehr und die von ihr eingegangenen internationalen militärischen Verpflichtungen“ haben könnte.

Im Augenblick setzt die Bundeswehr drei CH-53GS in Afghanistan bei „Resolute Support“ ein. 2015, so die Teilstreitkraft in ihrem internen Schreiben weiter, lasse sich diese Verpflichtung noch aufrechterhalten. Eine Fortführung des Einsatzes in 2016 sei allerdings mit technischem Personal „nicht darstellbar“. Dieses Personal sei aber für die arbeits- und zeitintensive Instandhaltung der Maschinen notwendig.

Die Autoren von tagesschau.de und NDRInfo erläutern an dieser Stelle: „Engpässe gibt es vor allem deswegen, weil das Bundesverteidigungsministerium damit begonnen hat, Luftwaffenstandorte zu schließen beziehungsweise bisher an angestammten Standorten wahrgenommene Aufgaben neu zu verteilen und zu verlegen. Davon betroffen sind Rheine und Diepholz.“

Ständige Weiterentwicklungen und Anpassungen an neue Aufgaben

Die Bundeswehr nutzt den Sikorsky-Transporthubschrauber CH-53 bereits vier Jahrzehnte lang. Insgesamt wurden im Zeitraum vom Juli 1972 bis zum Juni 1975 an die Truppe 112 CH-53G ausgeliefert. Die Geschichte dieser Helikopterflotte ist gekennzeichnet von ständigen Anpassungen und Weiterentwicklungen.

So wurden bislang unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus den ersten Auslandseinsätzen der Bundeswehr 20 Luftfahrzeuge bis zum Jahr 2002 zur Variante CH-53GS aufgerüstet. Seit 2006 wird mit dem Projekt „Produktverbesserung CH-53G“ und der daraus resultierenden neuen Variante CH-53GA bis Ende 2016 ein weiterer Schritt unternommen, um das Waffensystem für unterschiedliche nationale und internationale Missionsprofile anzupassen; dies betrifft 40 Maschinen (siehe auch hier und hier).

Seit Jahresbeginn 2013 fliegen alle 73 verbliebenen deutschen CH-53 nicht mehr mit der Kennung „Heer“, sondern unterstehen der Luftwaffe. Zu verdanken ist dies den damaligen Inspekteuren Werner Freers (Heer) und Aarne Kreuzinger-Janik (Luftwaffe), die im Zuge der Strukturreform der Bundeswehr miteinander auch einen „Fähigkeitstransfer Hubschrauber“ vereinbart hatten. Das Heer erhielt dabei mit Wirkung zum 1. Januar 2013 den leichten Transporthubschrauber Bell UH-1D und den bislang in der Luftwaffe vorhandenen Anteil des leichten Transporthubschraubers NH90. Die Luftwaffe übernahm im Gegenzug die Verantwortung für den mittleren Transporthubschrauber CH-53 von den Heeresfliegern. Der Appell anlässlich des „Fähigkeitstransfers Hubschrauber“ hatte am 13. Dezember 2012 in Laupheim stattgefunden (siehe auch hier).

Versäumnisse bei der Qualifizierung von technischem Personal rächen sich

Verteidigungspolitiker von SPD und Grünen verlangen mittlerweile Aufklärung. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag und zukünftige Wehrbeauftragte, Hans-Peter Bartels, sagte NDRInfo und tagesschau.de: „Wenn so gravierende Mängel da sind, personell und was die materielle Einsatzfähigkeit angeht, dann muss dringend nachgesteuert werden. Man kann dieses Problem nicht verdrängen und wegdrücken wie bei anderen Problemen mit der Einsatzfähigkeit von Material – auch, weil dieser Hubschrauber noch für zehn bis 15 Jahre fliegen soll.“ Zudem sieht der SPD-Parlamentarier den sogenannten „Fähigkeitstransfer Hubschrauber“ weiterhin kritisch. „Da ist sehr viel Know-how verloren gegangen“, meint Bartels. Viele Fachleute des Heeres seien nicht in die Luftwaffe gewechselt, nun fehle qualifiziertes Personal für Betrieb und Instandhaltung der CH-53.

Agnieszka Brugger, Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung sowie Obfrau im Verteidigungsausschuss der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, äußerte ihren Unmut ebenfalls sehr deutlich: „Man kann Probleme nicht lösen, wenn man sich einredet, dass man keine hat. Deswegen bin ich über diesen Vorgang sehr verärgert.“ Gegenüber dem bundeswehr-journal ergänzte die Abgeordnete: „Nach wie vor sind die Probleme bei der Materiallage gravierend. Jetzt rächen sich die fehlerhafte Planung und die Versäumnisse bei der Qualifizierung von technischem Personal sowie beim Materialerhalt. Das Verteidigungsministerium muss erklären, warum nicht ausreichend Personal geschult und bei den Hubschraubern veraltete Bauteile nicht ausgetauscht wurden. Die ständige Schönfärberei ist unverantwortlich und wird letztlich auf dem Rücken der Soldatinnen und Soldaten ausgetragen.“

Interessenverband wirft Luftwaffe „mangelndes Problembewusstsein“ vor

In einer schriftlichen Sprechererklärung des Verteidigungsministeriums an den NDR heißt es zur Problematik um die mittleren Transporthubschrauber des Typs CH-53GS: „Einschränkungen, die sich auf den Grundbetrieb in Deutschland beschränken, haben keine Auswirkungen auf den ,Resolute Support‘-Einsatz.“ Zudem sei noch nicht darüber entschieden, ob die Luftwaffe – so wie 2015 – auch im Jahr 2016 in Afghanistan eingesetzt werde.

Oberstleutnant a.D. Reinhard Schlepphorst, Vorsitzender der IGTH (Interessengemeinschaft des fliegenden und luftfahrzeugtechnischen Personals der Transport- und Hubschrauberverbände der Bundeswehr) betonte gegenüber tagesschau.de und NDRInfo, ein reibungsloser Grundbetrieb in Deutschland sei Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung des Auslandseinsatzes. „Man kann das nicht so darstellen, als wenn der Grundbetrieb völlig losgelöst vom Einsatz betrachtet werden kann“, erläuterte Schlepphorst. Die offizielle Haltung der Luftwaffe sei für ihn „Ausdruck eines mangelnden Problembewusstseins“.

Bis zum Jahr 2020 rund 80 Millionen Euro für die Baureihe CH-53GS

Ein kurzes Statement zum Thema „Transporthubschrauber CH-53GS“ konnte das bundeswehr-journal am Mittwoch auch noch im Pressezentrum der Luftwaffe in der Berliner General-Steinhoff-Kaserne einfangen. Einer der zuständigen Pressestabsoffiziere erklärte: „Im Hinblick auf die lange Einsatzdauer der CH-53-Flotte – die in den vergangenen Jahren allerdings immer wieder modernisiert worden ist – sind die thematisierten Mängel nicht wirklich überraschend. Jedoch sind die laufenden Einsatzverpflichtungen wie in Afghanistan derzeit keinesfalls eingeschränkt. Hinsichtlich eines Einsatzes der CH-53 im nächsten Jahr – etwa bei der ,Resolute Support Mission‘ in Afghanistan – ist aber bis jetzt noch keine Entscheidung gefallen.“

Der Vertreter der Luftwaffe informierte auch darüber, dass man „derzeit mit der Industrie in Gesprächen“ sei, um Lösungsmöglichkeiten für die CH-53-Problematik zu finden. Es müsse „Geld in die Hand genommen werden“, so der Sprecher. „Bis zum Jahr 2020 sollen rund 80 Millionen Euro in die Baureihe investiert werden.“

Zur Personalfrage erfuhren wir: „Die Bundeswehr hat mittlerweile entsprechende Maßnahmen zur Qualifizierung von zusätzlichem technischen Personal eingeleitet. Die Situation ist zwar im Moment nicht zufriedenstellend – wir haben bei diesem Personal immer noch ein Delta, und die Instandsetzung der CH-53 ist enorm aufwendig. Aber schon jetzt ist eine positive Entwicklung im Hinblick auf diese Fachkräftekomponente erkennbar. Nur dauert es natürlich seine Zeit, bis das zusätzliche technische Personal in dem erforderlichen Umfang bereitsteht.“


Zu unserem Bildangebot:
1. Früher Heer, seit dem 1. Januar 2013 Luftwaffe – mit der Entscheidung zur Neuausrichtung der Bundeswehr einher ging auch die Entscheidung zweier Inspekteure, im Rahmen eines Fähigkeitstransfers den taktischen Lufttransport bei der deutschen Luftwaffe zu konzentrieren. Die Aufnahme, entstanden am 22. September 2010, zeigt einen mittleren Transporthubschrauber CH-53GS bei einer Informationslehrübung der Panzerlehrbrigade 9.
(Foto: Sebastian Kunde/Bundeswehr)

2. 19. Januar 2011 – auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin-Tegel wird ein CH-53GS für den Afghanistaneinsatz in ein Antonov-Frachtflugzeug verladen.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

3. Ein Transporthubschrauber CH-53GS am 12. Dezember 2004 im Tiefflug von Termez in Usbekistan nach Kunduz im Norden Afghanistans.
(Foto: Sandra Herholt/Bundeswehr)


Kommentare

  1. mechanic | 2. Juni 2016 um 19:34 Uhr

    Das war vorherzusehen, dass die Übernahme der CH-53G durch die Luftwaffe so im Chaos enden musste. Für so ein komplexes Waffensystem – noch dazu mit dank vieler Teilmodernisierungen mit den Versionen G, GS, GE und GA logistisch nur schwer zu versorgen – braucht man Fachleute mit jahrzehntelanger Erfahrung. Die gab es am Standort Bückeburg reichlich.
    Nachdem 2003 auch die Wartung und Störbehebung „zivilisiert“ worden waren, hatten wir nach langer Durststrecke wegen der Umschulung von freigesetztem BO105-Personal 2010 sehr gut Tritt gefasst. 2012/2013 wurde das dann alles ganz schnell zerschlagen, weil die Luftwaffe unbedingt am Standort Schönewalde schulen wollte und auch die Technik überstürzt dorthin verlegte. Das Personal wurde verstärkt in den Vorruhestand geschickt.
    Was für eine Verschwendung von Ressourcen, die man besser für einen sanften Übergang hätte nutzen können.

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