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München. Vor sechs Jahren und neun Monaten hatte die Truppe gemeinsam mit dem Elektronikkonzern Rohde & Schwarz ein ehrgeiziges Projekt gestartet. Das in München ansässige Unternehmen war vom damaligen IT-Amt der Bundeswehr damit beauftragt worden, für die „Streitkräftegemeinsame, verbundfähige Funkgerät-Ausstattung“ (SVFuA) ein SDR-Grundgerät zu entwickeln (SDR: Software Defined Radio). Im Februar 2009 hatte dazu die Vertragsunterzeichnung stattgefunden. SVFuA gilt als Basis für die künftigen, softwaredefinierten Funkgerätegenerationen der Bundeswehr, sie beinhaltet die Schlüsseltechnologie für die Führungsfähigkeit moderner Streitkräfte. Projektziel war von Anfang an – neben der Geräteentwicklung – auch der Nachweis, dass das Grundgerät in Serie gefertigt werden kann. Am 19. Oktober nun informierte Rohde & Schwarz in einer Pressemitteilung darüber, dass „ein weiterer wichtiger Meilenstein“ bei diesem Vorhaben erreicht worden sei. Die Wehrtechnische Dienststelle für Informationstechnologie und Elektronik (WTD) 81 im bayerischen Greding habe die SCA-Konformität des SDR-Grundgeräts für SVFuA bestätigt. SVFuA sei damit das erste europäische Funksystem, das erfolgreich konform zum internationalen Software Communications Architecture-Standard (SCA) zertifiziert werden konnte, so der Konzern.

SVFuA, SDR, SCA – für den Laien nur schwer verständliche Abkürzungen. Auch mit der jeweiligen Langfassung wird der Nicht-Fachmann zunächst wohl nicht viel anfangen können: Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkgeräte-Ausstattung. Oder: Software Defined Radio. Und schließlich: Software Communications Architecture.

Gut erklärt hat diese schwierige Materie Dr. Marc Adrat. Er ist Ansprechpartner für den Bereich „Software Defined Radio“ beim Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) in Wachtberg. In einem empfehlenswerten Fachbeitrag über das SDR geht Adrat zu Beginn noch einmal kurz auf das Konzept der „Vernetzten Operationsführung“ ein.

Konfiguration des Funksystems durch softwarebasierte Wellenformen

Der Wissenschaftler schreibt: „Damit die Bundeswehr die ihr übertragenen Aufgaben und Aufträge […] erfüllen kann, benötigt sie vielfältige Fähigkeiten. Eine wesentliche Fähigkeit ist die ,Führungsfähigkeit‘. Um die Führung und den Einsatz von Streitkräften zu verbessern, wurde das Konzept der Vernetzten Operationsführung (NetOpFü) entwickelt. Dieses Konzept erlaubt es, mithilfe eines streitkräftegemeinsamen, führungsebenenübergreifenden und interoperablen Kommunikations- und Informationsverbundes alle relevanten Personen, Stellen und Truppenteile sowie Sensoren und Effektoren miteinander zu verbinden.“

Eine Schlüsselrolle zur NetOpFü-Befähigung spielt die neue, auf der Software Defined Radio-Technologie basierenden Funkgerätegeneration. Ihr Name wurde in unserem Beitrag bereits erwähnt: „Streitkräftegemeinsame, verbundfähige Funkgeräte-Ausstattung“, kurz SVFuA.

Dazu Adrat: „Die SVFuA soll die Grundvoraussetzungen schaffen, um die Fähigkeitslücke im Bereich hochmobiler, interoperabler, flexibler und zuverlässiger Vernetzung zu schließen. Die SVFuA selbst stellt hierzu eine modulare, skalierbare, programmierbare und rekonfigurierbare Funkgeräteplattform bereit, auf die Funkkommunikationsverfahren in Form von ,Wellenform-Applikationen‘ (WFA) geladen werden können. Solche WFA können bedarfs- und situationsgerecht adaptiert oder ausgetauscht werden.“

Portabilität und Interoperabilität bei multinationalen Einsätzen

SCA, die Software Communications Architecture, ist eine offene Architektur. Sie regelt das Zusammenspiel von Hard- und Software in durch Software modifizierbaren Funkstationen – Software Defined Radios. SCA wurde durch das US-Militär entwickelt und bildet den Kern des Joint Tactical Radio Systems (JTRS). Die Hauptaufgabe besteht darin, Struktur und Funktion des JTRS zu überwachen, programmierbare Funkelemente für variable Sender und Empfänger zu spezifizieren und damit für Interoperabilität zu sorgen.

Zum Begriff des „SCA-Standards“ erklärt uns Marc Adrat: „Um die Schnittstelle zwischen WFA und Hardware-Plattform sowie das Management, die Inbetriebnahme, die Konfiguration und die Kontrolle sowohl der Plattform als auch der Wellenform zu vereinheitlichen, wurde im amerikanischen JTRS-Programm die ,Software Communications Architecture‘ – SCA – spezifiziert. Eine hohe Konformität mit der SCA-Spezifikation wurde mittlerweile von allen führenden NATO-Partnern als erstrebenswertes Ziel für ihre nationalen SDR-Programme gefordert. Dies fördert insbesondere die Portabilität und auch die Interoperabilität von Wellenform im internationalen Einsatz.“

Adrat gehört der Fraunhofer-Arbeitsgruppe „Software Defined Radio“ in der Abteilung „Kommunikation“ an. Die Arbeitsgruppe berät seit vielen Jahren das Verteidigungsministerium, das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr sowie die WTD 81 bei Projekten im SDR-Umfeld. Die Experten des FKIE vertreten auch die Interessen der Amtsseite in einer Vielzahl internationaler Gremien auf europäischer wie auch auf NATO-Ebene.

SDR-Entwicklungsstandort in Stuttgart-Weilimdorf

Das Unternehmen Rohde & Schwarz hatte bereits von Juli 2005 bis Oktober 2007 im Auftrag der Bundeswehr eine Studie zu Software Defined Radios durchgeführt. Diese Studie, in der neue Technologien zur breitbandigen und hochsicheren Informationsübertragung untersucht und demonstriert worden waren, diente danach als Grundlage für SVFuA. Im Oktober 2008 eröffnete der Spezialist für softwarebasierte Funksysteme einen zusätzlichen Entwicklungsstandort in Stuttgart-Weilimdorf.

Über die SCA-Zertifizierung von SVFuA heißt es im Pressetext von Rohde & Schwarz abschließend: „Die Entwicklung nach SCA-Standard ermöglicht, sowohl standardisierte als auch proprietäre Wellenformen auf das Funkgerät zu portieren. Veränderten Anforderungen kann dadurch zukünftig zeitgerecht und kosteneffizient entsprochen werden. Das Verfahren entspricht dem steigenden Bedarf an Interoperabilität, der sich für die Bundeswehr bei streitkräfteübergreifenden (Joint) wie auch multinationalen (Combined) Einsätzen ergibt.“

Über das Wehrtechnikprojekt „SVFuA“ und die daran beteiligten Firmen haben wir bereits in einem früheren Beitrag berichtet (siehe hier).


Zu unserem Bildmaterial:
1. Das SDR-Grundgerät für die „Streitkräftegemeinsame, verbundfähige Funkgeräte-Ausstattung“ (SVFuA) der Bundeswehr.

2. Vergabe des Entwicklungsauftrags für das SDR-Grundgerät an Rohde & Schwarz. Bei der Vertragsunterzeichnung im Februar 2009 (von links): Brigadegeneral Klaus Veit (Vizepräsident des damaligen IT-Amtes der Bundeswehr), Herbert Rewitzer (Leiter des Geschäftsbereichs „Funkkommunikationssysteme“ bei Rohde & Schwarz) und Wulff Sellmer (IT-Amt).


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