Berlin. Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie setzte auch 2013 ihren Wachstumskurs fort und bleibt insgesamt ein starker Job- und Innovationsmotor. Anlässlich der Präsentation der aktuellen Branchenzahlen sagte Bernhard Gerwert, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), am 29. April in Berlin: „In 2013 erwirtschaftete unsere Industrie ein Allzeithoch mit einem Umsatz von 30,6 Milliarden Euro. Mit der Schaffung von 5000 neuen Arbeitsplätzen verzeichnen wir die höchste jemals erfasste Gesamtbeschäftigtenzahl von 105.500 Mitarbeitern.“ Aber die BDLI-Bilanz hat nicht nur erfreuliche Seiten. Die mittelfristige Perspektive in der militärischen Luftfahrtindustrie ist weiterhin unverändert angespannt, nach Ansicht des Verbandes ist hier eine politische Weichenstellung mehr denn je erforderlich.
Die gute Nachricht für den Bereich der Verteidigung und Sicherheit beziehungsweise die militärische Luftfahrt vornweg: Nach zwei Jahren der rückläufigen Entwicklung hat dieses Branchensegment nach BDLI-Informationen im Geschäftsjahr 2013 erstmalig wieder positive Zahlen geschrieben. Der Verband bei seiner Bilanzpressekonferenz: „Das Industriesegment schloss das Jahr mit einem Umsatzplus von 7,2 Prozent ab und erhöhte das Volumen auf 6,8 Milliarden Euro (Vorjahr 2012: 6,37 Milliarden Euro). Der Gesamtumsatzanteil des Branchensegments betrug 22 Prozent. Mit rund 22.200 direkt Beschäftigten arbeiteten in diesem Industriebereich 2013 rund 1,9 Prozent mehr Menschen als 2012 (Vorjahr: 21.900).“
Erfreuliches berichtete der BDLI auch über drei Rüstungsgroßprojekte. Bis Jahresende 2013 absolvierte der Eurofighter bei der deutschen Luftwaffe insgesamt 40.000 Flugstunden, die Industrie hat den Lieferplan für das Flugzeug in 2013 übererfüllt. In Afghanistan fliegt das deutsche Heer bereits vier Tiger-Kampfhubschrauber mit Spezialausrüstung. Die ersten A400M-Militärtransporter wurden an die französische Luftwaffe ausgeliefert und befinden sich inzwischen im weltweiten Einsatz.
Aber – und damit zum Wermutstropfen im Bilanz-Jahrgang 2013 des BDLI: Der Verband „schätzt die positive Entwicklung in diesem Segment im vergangenen Jahr als atypisch für die Situation ein. Die Sorge um die schwierige mittel- bis langfristige Zukunft dieser strategisch wichtigen Industriebranche bleibt bestehen.“ Weiter heißt es aus der Berliner Zentrale der Interessenvertretung: „Eine im ersten Quartal 2014 durchgeführte BDLI-Blitzumfrage bei den Mitgliedsunternehmen ergab, dass zwei Drittel der befragten Firmen die langfristige Zukunft dieser Teilbranche als mäßig oder gar als schlecht einstufen. Erste Unternehmen haben ihre Geschäftsfeldaktivitäten in der militärischen Luftfahrtindustrie aufgeben. Grund dafür sind fehlende Geschäftsfeldperspektiven in den Bereichen Forschung, Entwicklung, Produktion und Instandhaltung.“
Gründe für die düstere Prognose der Geschäftsentwicklung sind nach BDLI-Ansicht sinkende, bestenfalls stagnierende Verteidigungshaushalte in Europa und die Folgen der Bundeswehrreform. Zudem fehlen neue umfangreiche Entwicklungsvorhaben. „Vor diesem Hintergrund ist die Gefahr weiterhin akut, dass mittelfristig nicht nur hochqualifizierte Beschäftigung verlorengeht, sondern vor allem die Kompetenzen aufgegeben werden, die unsere Industrie über Jahrzehnte aufgebaut hat und die die Basis bilden, auf der unsere Unternehmen zu einem akzeptierten europäischen Kooperationspartner geworden sind“, so die deutliche Warnung.
Vor diesem Hintergrund begrüßt und unterstützt der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie einmal mehr mit großem Nachdruck die laufende Erarbeitung einer militärischen Luftfahrtstrategie durch das Bundesministerium der Verteidigung. Die Forderung nach einer solchen Strategie ist bereits seit gut zwei Jahren zu hören und wird immer lauter.
Bereits im April 2012 appellierte die Branche an die damalige Bundesregierung, mit der Formulierung einer langfristigen nationalen militärischen Luftfahrtstrategie endlich für eine „gewisse Planungssicherheit“ zu sorgen. Bei der Handelsblatt-Konferenz im November 2012 beispielsweise betonte Lutz Bartling, damals Präsident des BDLI, dass Deutschland nur durch die Entwicklung einer militärischen Luftfahrtstrategie – in enger Abstimmung mit der Politik – sicherstellen könne, dass die nationale Industrie im europäischen und globalen Kontext langfristig technologiefähig bleibe und den notwendigen Beitrag zur Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr leisten könne.
Als am 16. Januar 2013 das damalige schwarz-gelbe Bundeskabinett eine zivile Luftfahrtstrategie aus dem Hause von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler beschloss, wurde damit auch der Auftrag für eine militärische Luftfahrtstrategie vergeben. In dem Regierungsdokument findet sich zunächst folgende Lagedarstellung: „Der Markt für militärische Luftfahrzeuge ist momentan in einem Prozess des Wandels. Zum einen hat sich die sicherheitspolitische Situation in Europa in den letzten Jahrzehnten tiefgreifend verändert. Zum anderen ist die militärische Luftfahrt besonders von der angespannten Lage und den Sparbemühungen der öffentlichen Haushalte betroffen. Zudem befindet sich aktuell eine Vielzahl von modernen fliegenden Waffensystemen in der Einführung beziehungsweise am Beginn einer langjährigen Nutzungsphase. Eine Entwicklung von Folgesystemen mit langfristigem Zeithorizont wird derzeit im europäischen Umfeld betrachtet. Für die deutsche wehrtechnische Luftfahrtindustrie ist die zwischenzeitliche Sicherung der eingesetzten Ressourcen und des vorhandenen Wissens zum Erhalt industrieller Kernkompetenzen entscheidend.“ An anderer Stelle heißt es fast schon programmatisch: „Der Erhalt und Ausbau von industriellem wehrtechnischem Know-how mit entsprechenden Kapazitäten liegt im Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik Deutschland.“
Den Auftrag, federführend nun auch eine militärische Luftfahrtstrategie zu entwickeln, erteilte die Regierung dem Bundesministerium der Verteidigung. An der Strategie für die Rüstungsbranche wird seit Monaten intensiv gearbeitet.
Wie der Ingolstädter Donaukurier am 28. März dieses Jahres berichtete, ist von dieser Rüstungsstrategie auch in einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Verteidigung, Ralf Brauksiepe, die Rede. Brauksiepe hatte im Februar einen gemeinsamen Brief des Pfaffenhofener Landrats Martin Wolf und der Bürgermeister der Region erhalten. Darin hatten die Kommunalpolitiker ihre Sorge über die Zukunft des Luftfahrtstandortes Manchen formuliert. In seinem Antwortschreiben bestätigt der Staatssekretär nun, dass das derzeit unter dem Arbeitstitel „Militärische Luftfahrtstrategie der Bundesregierung“ entstehende Dokument „noch in diesem Jahr dem Kabinett zur Billigung vorgelegt“ werden soll. Brauksiepe: „Dieses Papier soll den politischen Wert der militärischen Luftfahrt in Deutschland unterstreichen, die langfristigen Rahmenbedingungen hierfür festlegen und Handlungsempfehlungen für alle beteiligten Akteure aussprechen.“
Auch BDLI-Präsident Bernhard Gerwert hatte sich bei der Präsentation der neuesten Branchendaten der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie in Berlin zur militärischen Luftfahrtstrategie geäußert. Mit Blick auf das Segment „Verteidigung und Sicherheit“ warnt er: „Die positiven Zahlen für die militärische Luftfahrt in 2013 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dieses Branchensegment in einer angespannten Lage befindet. Dieser strategische Industriezweig bleibt unser Sorgenkind. Angesichts ausbleibender Entwicklungsprogramme ist die Zukunftsfähigkeit der militärischen Luftfahrt in Deutschland gefährdet. Wir begrüßen vor diesem Hintergrund, dass das Bundesministerium der Verteidigung auf Basis eines Kabinettsbeschlusses bis zum Jahresende eine militärische Luftfahrtstrategie erarbeiten wird.“
Wie eingangs bereits berichtet, konnte sich die deutsche Luft- und Raumfahrtbranche im zurückliegenden Geschäftsjahr 2013 insgesamt betrachtet sehr gut entwickeln. Das Umsatzwachstum der Gesamtbranche betrug 7,8 Prozent, der Gesamtumsatz erreichte ein Volumen von 30,6 Milliarden Euro (Vorjahr: 28,4 Milliarden Euro). Die Gesamtbeschäftigtenzahl verzeichnete 2013 ein Plus von 4,8 Prozent und stieg auf 105.500 direkt in der Luft- und Raumfahrt Beschäftigte (Vorjahreswert: 100.700).
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bewegten sich 2013 mit rund 15 Prozent des Branchenumsatzes und einem Volumen von rund 4,6 Milliarden Euro auf ähnlich hohem Niveau wie in den Vorjahren. Der Exportanteil lag 2013 – gemessen am Umsatz der Gesamtbranche – wie auch in den Vorjahren auf einem stabilen Niveau von rund 60 Prozent.
Die Zivilluftfahrt ist nach Informationen des BDLI das weiter an Bedeutung zunehmende, größte Einzelsegment der Branche. Sie profitierte durch global steigende Bestell- und Auslieferungszahlen und konnte ein Umsatzwachstum von 9,1 Prozent auf 21,4 Milliarden Euro verbuchen. Triebwerkshersteller, Ausrüstungs- und Werkstoffindustrie waren in ihren zivilen Geschäftsbereichen Nutznießer dieser positiven Marktentwicklung. Der im Raumfahrtsektor generierte Umsatz fiel 2013 leicht um 1 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro, die Zahl der direkten Arbeitskräfte wuchs um 1,6 Prozent.
2. BDLI-Präsident Bernhard Gerwert (Mitte) bei der Vorstellung der neuesten Branchendaten in Berlin.
(Foto: BDLI)
3. Transport des Rumpfes des ersten deutschen A400M-Militärtransporters vom Airbusstandort Bremen zur Endmontagelinie nach Sevilla, Spanien. Die Aufnahme stammt vom 30. Januar 2014.
(Foto: Airbus Defence and Space/Military Aircraft)
4. Der Eurofighter absolvierte bis Jahresende 2013 bei der deutschen Luftwaffe insgesamt rund 40.000 Flugstunden – im Bild eine Maschine vom Taktischen Luftwaffengeschwader 74; der in Neuburg an der Donau beheimatete Verband war als erstes Einsatzgeschwader der Bundeswehr auf den Eurofighter umgerüstet worden.
(Foto: Peter Steiniger/Eurofighter Jagdflugzeug GmbH)
5. Das deutsche Heer fliegt seit längerer Zeit schon den Kampfhubschrauber Tiger in Afghanistan. Am 13. Dezember 2012 waren die ersten beiden speziell ausgerüsteten Maschinen ins Einsatzland gebracht worden.
(Foto: RC North PAO/PrInfoZ EinsFüKdo/Bundeswehr)