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Berlin. Was die Süddeutsche Zeitung bereits am 19. Juni gemeldet hatte, ist nun offiziell: Externe Berater werden den Rüstungssektor im Bundesministerium der Verteidigung durchleuchten, Empfehlungen für bestimmte Rüstungsprojekte und das Projektmanagement aussprechen und Impulse für die organisatorische Weiterentwicklung im Rüstungsmanagement setzen. Dies kündigte das Ministerium am Samstag (28. Juni) in einer Pressemitteilung an.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte die Überprüfung von zentralen Rüstungsprojekten durch externe Berater am 19. Februar dieses Jahres angewiesen. Am Abend dieses Mittwochs hatte in Berlin auch ein Gremium getagt, das sich mit der Akten- und Faktenlage der 15 wichtigsten Rüstungsprojekte der Bundeswehr befassen sollte. Medienberichten zufolge hatte die neue Chefin des Verteidigungsressorts bei dieser Arbeitssitzung keinen einzigen der ihr vorgelegten Projektstatusberichte gebilligt. Alle waren ihr „unzureichend“ erschienen.

Aus für einen Staatssekretär und einen Ministerialdirektor

Kurz darauf hatte von der Leyen als Konsequenz aus den massiven Problemen und Ungereimtheiten bei großen Rüstungsdeals – erinnert sei an die Affäre um die Drohne Euro Hawk – den Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, Stéphane Beemelmans, entlassen (er war später mit Wirkung vom 24. Februar 2014 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden). Beemelmans war zuletzt unter anderem für den Bereich „Administration und Ausrüstung“ zuständig gewesen.

Der damalige Abteilungsleiter „Ausrüstung, Infrastruktur und Nutzung“ im Bundesministerium der Verteidigung, Ministerialdirektor Detlef Selhausen, war mit Wirkung vom 20. Februar ebenfalls von seinen Aufgaben entbunden worden.

Beemelmans und Selhausen, Schlüsselfiguren im Euro Hawk-Beschaffungsdebakel, sollen den früheren Verteidigungsminister Thomas de Maizière „nur unzureichend über die Zulassungsprobleme und eine drohende Kostenexplosion“ bei dem Drohnen-Prestigeobjekt informiert haben. Diesen schweren Vorwurf hatte de Maizière 2013 seinen beiden Mitarbeitern gemacht. Beemelmans hatte zudem auch noch den Verteidigungsausschuss des Bundestages gegen sich aufgebracht, weil er eine – an sich unumstrittene – Ausgleichszahlung an die Industrie in Höhe von 55 Millionen Euro am Parlament vorbei einfach freigegeben hatte.

Wirtschaftliche, technische und rechtliche Beratung

Die Vergabe der externen Beratungsleistung konnte nun, so die Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums, am 27. Juni 2014 nach einer öffentlichen Ausschreibung abgeschlossen werden. Den Zuschlag für den Auftrag erhielt ein Konsortium aus KPMG, P3 Ingenieurgesellschaft und Taylor Wessing. Das Konsortium bündele die Expertise in den Bereichen wirtschaftlicher, technischer und rechtlicher Beratung, erklärte das Ministerium. Das Honorar für die Beratungsleistung betrage rund 1,15 Millionen Euro.

Innerhalb der nächsten drei Monate soll nun ein Team aus mehr als 30 Experten „zunächst eine gründliche Bestandsaufnahme und Untersuchung der wesentlichen Projektrisiken“ neun großer Bundeswehr-Rüstungsprojekte durchführen. Das Gesamtvolumen dieser zu überprüfenden Beschaffungsvorhaben beträgt nach Ministeriumsangaben mehr als 50 Milliarden Euro.

Auch mögliches Nachfolgesystem für den Euro Hawk wird untersucht

Auf der Prüfliste des Konsortiums stehen der Eurofighter, das Transportflugzeug A400M sowie der Kampfhubschrauber Tiger und der NATO Helicopter 90 (NH90) einschließlich des „Global Deal“. Beim „Global Deal“ geht es um eine Vereinbarung des Verteidigungsministeriums mit EADS, jetzt Airbus Group, über eine geringere Abnahme von Hubschraubertypen. Die Bundeswehr verzichtet demnach auf 23 der ursprünglich 80 bestellten Tiger und auf 40 NH90 in der Transporthubschrauberversion, spart 200 Millionen Euro und bestellt zugleich 18 NH90 in einer Marinevariante „Sea Lion“.

Das Konsortium wird sich auch mit einem Nachfolgeprojekt für den Euro Hawk befassen (SLWÜA: System der luftgestützten weiträumigen Überwachung und Aufklärung). Weitere zu untersuchende Vorhaben der Bundeswehr: Taktisches Luftverteidigungssystem (Nachfolge MEADS), Schützenpanzer Puma, Fregatte Klasse 125 und neue Funkausstattung (SVFuA: Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkausstattung).

Unterrichtung der parlamentarischen Gremien voraussichtlich Ende Oktober

„Aus den Ergebnissen der Analysearbeit werden die Berater Empfehlungen für die einzelnen Rüstungsprojekte sowie das Management von Rüstungsprojekten generell ableiten und Impulse für die organisatorische Weiterentwicklung im Rüstungsmanagement setzen“. Diese Zielsetzungen formuliert das Verteidigungsministerium in seiner Presseerklärung. Ende Oktober dieses Jahres sollen dann die zuständigen Parlamentsausschüsse über die Ergebnisse des Konsortiums informiert werden. Dazu soll es auch eine erste ministerielle Bewertung geben.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird schließlich „auf Grundlage der Untersuchungen die erforderliche Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit herstellen. Die Beratungsergebnisse werden als Entscheidungsgrundlage für die jeweiligen Rüstungsprojekte, das Projektmanagement und Maßnahmen zur Organisationsentwicklung dienen“.

Extrem kompliziert und mit großen Risiken behaftet

In seinem eingangs schon erwähnten Beitrag „Unternehmensberater durchleuchten Verteidigungsministerium“ für die Süddeutsche Zeitung skkizziert Christoph Hickmann einen Moloch wie folgt: „Der Rüstungssektor gilt als extrem kompliziert und birgt für den jeweiligen Verteidigungsminister hohe Risiken. Ständig verzögern sich wichtige Projekte, regelmäßig entstehen zusätzliche Kosten. Bislang war es im Ministerium geübte Praxis, heikle Details gar nicht erst an den Minister heranzulassen. Von der Leyen will das ändern und über den Stand der wichtigsten Projekte laufend informiert werden, um die Risiken stets im Blick zu behalten. Die Überprüfung durch die Unternehmensberatung soll ein erster Schritt zur Neuordnung des Rüstungssektors sein.“

Wie ambitioniert dieses Vorhaben ist, zeigt bereits ein Blick auf die Kurzporträts der beteiligten Beratungsgesellschaften, die den Weg für diesen ersten Schritt bereiten sollen.

KPMG Deutschland – offiziell KPMG AG Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft – ist ein internationales Unternehmen in den Bereichen der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmens- beziehungsweise Managementberatung. Für wesentliche Wirtschaftsbranchen hat KPMG bereichsübergreifende Spezialisierung vorgenommen, mit der insbesondere Familienunternehmen, Corporates, Staat und öffentliche Hand sowie das Finanzwesen praxisnah beraten werden können. KPMG Deutschland beschäftigt rund 8600 Mitarbeiter an 25 Standorten. Im Auftrag des Verteidigungsministeriums hat das Unternehmen bereits von März 2012 bis Juni 2013 eine Studie zur Entwicklung von attraktiven und konkurrenzfähigen Dienstzeit- und Dienstzeitausgleichsmodellen für Soldaten erstellt.

Die P3 Ingenieurgesellschaft – bekannt auch unter dem Namen als P3 Group – ist eine unabhängige Unternehmensberatung mit Sitz in Aachen. Schwerpunkte sind unter anderem die Branchen Automobil, Luftfahrt und Telekommunikation. Zu den Kunden der Gesellschaft gehört beispielsweise der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus. In einem Großprojekt berät und unterstützt die P3 Group den öffentlichen Sektor bei dem sicherheitskritischen Thema „Behördenfunk“. Für die Unternehmen der P3 Group arbeiteten nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 2500 Menschen.

Taylor Wessing ist eine internationale Wirtschaftskanzlei mit über 950 Rechtsanwälten an weltweit 24 Standorten. Die Kanzlei berät Unternehmen in Fragen des nationalen und internationalen Wirtschaftsrechts. In Deutschland ist die Kanzlei als Partnerschaftsgesellschaft nach deutschem Recht organisiert und in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München tätig.


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