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Kabul (Afghanistan)/Potsdam. Ein Mann in einer afghanischen Militäruniform hat am 5. August in der afghanischen Hauptstadt Kabul einen Generalmajor der US-Streitkräfte erschossen sowie einen deutschen Brigadegeneral und mindestens 13 weitere Angehörige der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force, ISAF) verwundet. Der deutsche General ist nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam „nach derzeitigem Stand außer Lebensgefahr“. Er werde medizinisch betreut, seine Angehörigen seien informiert worden.

Der Anschlag ereignete sich den Informationen des Einsatzführungskommandos zufolge am Dienstag um 9.53 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit/12.23 Uhr afghanischer Zeit während eines Treffens der hochrangigen ISAF-Vertreter mit ihren jeweiligen afghanischen Ansprechpartnern (Schlüsselpersonen). Diese Begegnung im Rahmen des sogenannten Key Leader Engagements fand im Camp Qargha am westlichen Stadtrand von Kabul statt. In dem von den Briten generalüberholten Areal befindet sich auch die „Marshal Fahim National Defense University“. Der Angriff soll sich – so ISAF in einer Pressemitteilung – hier zugetragen haben. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel wurden auch drei Afghanen verwundet.

Anzeichen deuten auf einen afghanischen „Innentäter“ hin

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr sprach in seiner Presseerklärung bereits davon, dass es sich bei dem Attentat „vermutlich [um] einen Innentäterangriff“ gehandelt habe.

Der Sprecher des afghanischen Verteidigungsministeriums, Mohammad Zaher Azimi, gebrauchte in einer Mitteilung im Internetdienst Twitter die Beschreibung „Terrorist in afghanischer Uniform“. Der Angreifer sei von afghanischen Soldaten getötet worden.

Wie Spiegel Online am 5. August berichtete, habe „die Bundeswehr am Abend in einer Unterrichtung an ausgewählte Abgeordnete des Bundestages“ geschrieben, dass es sich bei dem Attentäter „um einen Soldaten der afghanischen Armee“ gehandelt habe. Soldaten aus Camp Qargha wiederum hätten telefonisch berichtet, so Spiegel Online zu diesen Quellen, der Angreifer habe sich mit einem falschen Ausweis Zugang verschaffen können.

Konteradmiral John Kirby, der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, vermutete bei der Pressekonferenz am Dienstag im Pentagon ebenfalls einen „Innentäter“. Der Angreifer sei seinen Informationen zufolge ein Angehöriger der afghanischen Sicherheitskräfte gewesen. Über den erschossenen Generalmajor der US-Streitkräfte sagte Kirby, dieser sei der hochrangigste Militärangehörige seines Landes seit Ende des Vietnamkrieges, der in Übersee durch Feindeshand sterben musste. Am 11. September 2001 war bei dem Terrorangriff auf das Pentagon Generalleutnant Timothy Joseph Maude ums Leben gekommen.

Den Namen des gefallenen Zwei-Sterne-Generals wollte Kirby aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen am Dienstag noch nicht nennen (Anm.: wir folgen dieser Bitte sowie der Bitte des Einsatzführungskommandos und teilen die uns bekannten Namen des US-Generalmajors und des deutschen Brigadegenerals an dieser Stelle noch nicht mit).

Auswärtiges Amt verurteilt den Anschlag in Kabul auf das Schärfste

Der afghanische Präsident Hamid Karsai bezeichnete den Anschlag als einen „feigen Akt der Feinde Afghanistans, die den Aufbau starker Institutionen verhindern“ wollten. Äußerungen der Taliban zu dem Attentat an der Universität des afghanischen Militärs gibt es bislang nicht.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte am Dienstag: „Wir verurteilen diesen verabscheuungswürdigen Anschlag auf ISAF-Soldaten auf das Schärfste. ISAF leistet seit Jahren einen großen Beitrag zum Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte und zur Verbesserung der Sicherheitslage für die Menschen im Land. Die ISAF-Soldaten engagieren sich mit hohem Einsatz und unter großen persönlichen Risiken, um Afghanistan eine bessere Zukunft, Stabilität und Sicherheit zu ermöglichen. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des getöteten ISAF-Soldaten und bei den Verletzten, denen wir baldige Genesung wünschen.“

Taliban unterwandern die afghanischen Sicherheitskräfte

Angriffe auf Koalitionstruppen durch Angehörige der afghanischen Streitkräfte – die sogenannten Green-on-Blue-Attacken – gelten mittlerweile als eine der größten Bedrohungen im Afghanistankrieg. In den vergangenen zwei Jahren haben die „Angriffe von Innen“ auf ISAF-Angehörige dramatisch zugenommen. 2012 beispielsweise verursachten diese Angriffe in jenem Jahr rund 15 Prozent aller Verluste der Koalitionstruppen.

Auch wenn die Kommandeure der NATO-geführten Mission in Afghanistan erklären, dass 90 Prozent der „Innnetäter-Attacken“ von kulturellen Spannungen oder gar persönlicher Feindschaft ausgelöst würden, so sticht doch eine Tatsache ins Auge. Die Angriffe nahmen 2011 enorm zu, kurz nachdem US-Präsident Barack Obama angekündigt hatte, Ende 2014 die letzten Kampftruppen abziehen und die Sicherheitsverantwortung für das Land vollkommen in die Hände der Afghanen legen zu wollen. Mehrfach haben auch die Taliban behauptet, die eigenen Anstrengungen erhöht zu haben, um die afghanischen Sicherheitskräfte zu infiltrieren.

Eine Aufstellung über die Green-on-Blue-Vorfälle in Afghanistan der Jahre 2008 bis 2014 (aktueller Stand 5. August dieses Jahres) findet sich online bei The Long War Journal.

Nach letzten Meldungen des afghanischen Nachrichtensenders TOLOnews gab es bei dem Anschlag im Militärareal Qargha insgesamt sogar 16 Verwundete: den deutschen Brigadegeneral, sieben US-Soldaten, fünf britische Soldaten sowie drei Afghanen (unter ihnen ebenfalls ein Offizier im Generalsrang).


Unser Bildangebot:
1. Das „Military Training Center“ in Kabul – hier erhalten Soldaten der Nationalarmee Afghanistans eine zehntägige Schulung durch ISAF als Schieß- und Waffenausbilder.
(Foto: Joseph Swafford/U.S. Air Force)

2. Außenansicht von Camp Qargha im Westen von Kabul.
(Foto: amk)

3. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Konteradmiral John Kirby, bei der Pressekonferenz im Pentagon am 5. August 2014.
(Foto: Casper Manlangit/Department of Defense)

4. Hintergrundbild unserer Infografik: Schießausbildung im Trainingszentrum Kabul. Die Anzahl der in der Infografik dargestellten Anschläge basieren auf Recherchen der Nachrichtenwebsite The Long War Journal.
(Foto: Jill LaVoie/U.S. Air Force, Infografik © mediakompakt 08.14)


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