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Berlin/Bremen. Die Bundeswehr will angeblich das israelische Drohnensystem Heron ein weiteres Jahr in Afghanistan nutzen. Der Leasingvertrag, der zuletzt bis April 2015 datiert war, soll um zwölf Monate verlängert worden sein. Dies berichtete jetzt die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf das Bundesministerium der Verteidigung. Die für Heron zuständige Verteidigungssparte des Konzerns Airbus (vormals EADS), Airbus Defence & Space, widersprach heute (26. September) auf unsere Nachfrage hin der Agenturmeldung.

Der Heron 1 war im Februar 2010 nach Afghanistan verlegt worden und ist dort seit dem 17. März 2010 beim Einsatzgeschwader Mazar-e Sharif in Betrieb. Kernauftrag des Systems ist die direkte Einsatzunterstützung der deutschen Kräfte. Eine Vertragsverlängerung wäre auch ein deutlicher Hinweis auf die ISAF-Folgemission „Resolute Support“ ab Januar kommenden Jahres.

Das unbemannte Aufklärungssystem Heron („Reiher“) wird von Israel Aerospace Industries (IAI) gebaut. Die Bundeswehr hat das UAS (Unmanned Aircraft System) seit Herbst 2009 in einer Betreiberlösung angemietet. Derzeitiger Vertragspartner bei diesem Deal ist auf deutscher Seite die Bremer Cassidian Airborne Solutions GmbH.

Heron gehört zur Klasse der MALE-Drohnen (Medium Altitude Long-Endurance/Mittlere Flughöhe, lange Einsatzdauer). Bei Heron 1 liegt die maximale Einsatzflughöhe bei etwa 27.000 Fuß (rund 8200 Meter), die typische Operationshöhe zumeist bei etwa 21.000 Fuß (rund 6400 Meter). Mit einer Spannweite von 16,60 Metern bei einem maximalen Startgewicht von 1200 Kilogramm fliegt die Drohne fast lautlos mit einer Einsatzreichweite von gut 400 Kilometern. Je nach Konfiguration kann sie bis zu 24 Stunden nonstop in der Luft bleiben.

Lückenloser Einsatz der Luftfahrzeuge über nordafghanischem Territorium

Über den Heron-Schichtdienst der deutschen Soldatinnen und Soldaten in Mazar-e Sharif berichtete im Dezember vergangenen Jahres ausführlich Steffen Maluche auf www.bundeswehr.de. In seinem Beitrag „Heron über Afghanistan“ heißt es: „Nach den deutschen Einsatzvorschriften darf ein Heron bis zu 27 Stunden in der Luft sein. Selbstverständlich werden dabei die Crews regelmäßig abgelöst. So ist ein lückenloser Einsatz der Maschinen mit permanent hochkonzentrierten Bedienern garantiert.“ Im Schnitt fliege das Personal zwei bis fünf Missionen pro Tag, schreibt Maluche weiter. Die Bediener wechselten alle vier Stunden. Ein Heron sei durchschnittlich um die 23 Stunden am Stück im Einsatz. Dadurch, dass die Fluggeräte im Einsatzraum in der Luft abgelöst würden, könnten am Tag dann insgesamt sogar mehr als 24 Flugstunden entstehen „Theoretisch ist somit immer eine der insgesamt drei Maschinen der Heron-Gruppe in der Luft – sechs Crews garantieren diesen Dauereinsatz personell“, so der Journalist.

Der Heron 1 kann mit verschiedenen Sensoren ausgerüstet werden. In den von der Bundeswehr gemieteten Drohnen werden Video-/Infrarot-Sensoren zur Tag- und Nachtsicht-Bildaufklärung verwendet, ein Synthetic Aperture Radar (SAR) steht für die Radarbildaufklärung zur Verfügung. Zur Zielbeleuchtung ist ein Laser-Zielmarkiergerät installiert. Die Daten werden nicht nur an die Bediener der Drohne in der Bodenkontrollstation gesandt, sondern können auch über Remote Video Terminal (RVT) direkt an die Bodentruppen übermittelt werden.

Abbildende Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes

Die Bundeswehr hatte bereits vor etlichen Jahren eine Fähigkeitslücke im Bereich ihrer luftgestützten abbildenden Aufklärung ausgemacht und Lösungen erörtert. 2007 war durch das Verteidigungsministerium dann die Forderung der Truppe nach einem „System zur abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes“ (SAATEG) gebilligt worden.

Nach einem Ausschreibungsverfahren waren die Systeme Predator B des US-Herstellers General Atomics und Heron TP, das israelische Nachfolgemodell des Heron 1, in die Endauswahl gekommen. Bei beiden Systemen handelt es sich um Aufklärungsdrohnen, die sich mit Raketen und Bomben bestücken und somit zur Kampfdrohne umfunktionieren lassen. Aufgrund ständiger Angriffe auf deutsche Kräfte in Afghanistan hatte sich damals die politische Führung für eine rasche Zwischen- sprich Betreiberlösung entschieden. Kurzfristig war allerdings nur die Aufklärungsdrohne Heron 1 von IAI verfügbar gewesen.

2008 hatten sich bereits das deutsche Unternehmen Rheinmetall Defence und der Heron-Hersteller IAI mit einem Kooperationsvertrag über die Vermarktung der Aufklärungsdrohne Heron TP geeinigt. Im Oktober 2009 nun schloss die Bundeswehr einen Vertrag über die SAATEG-Zwischenlösung mit Rheinmetall Defence als Generalunternehmer ab. Drei Drohnensysteme Heron 1, zwei Bodenkontrollstationen und zusätzliche Geräte wurden daraufhin von IAI zunächst für ein Jahr und mit der Option auf Verlängerung um weitere zwei Jahre angemietet.

Einsatzpersonal ausbilden und leistungsstärkere Sensoren einrüsten

Im Januar 2012 vereinbarten Rheinmetall und Cassidian (die Verteidigungssparte der Airbus Group, vormals EADS), die bisherigen Aktivitäten von Rheinmetall im Bereich der unbemannten Flugsysteme künftig gemeinsam im Rahmen eines Joint Venture zu betreiben. In einem Vertrag wurde festgelegt, dass Cassidian 51 Prozent und Rheinmetall 49 Prozent der Anteile an dem neu zu gründenden Gemeinschaftsunternehmen – Rheinmetall Airborne Systems – halten sollten. Zu den Aufgaben des in Bremen ansässigen Joint Venture, das zunächst 160 Mitarbeiter beschäftigte, gehörte auch die Betreuung des in Afghanistan für die Bundeswehr eingesetzten Heron 1.

Ende Juni 2012 beauftragte das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (heute Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) Rheinmetall Airborne Systems, die Bundeswehr in Afghanistan auch weiterhin als Heron-Dienstleister zu unterstützen. Der Leasingvertrag für die Systeme wurde bis zum 22. Oktober 2014 verlängert.

Neben der Fortführung des Flugbetriebes beinhaltete die damalige Beauftragung durch das Koblenzer Amt unter anderem auch die Ausbildung zusätzlichen Einsatzpersonals der Luftwaffe sowie die Einrüstung neuer, leistungsfähigerer Sensornutzlasten. Das Volumen dieses Folgeauftrags umfasste – bezogen auf den Zeitraum Oktober 2012 bis Oktober 2014 – rund 75 Millionen Euro.

Vertragspartner für den Dienstleistungsvertrag „SAATEG-Zwischenlösung“ ist seit dem 1. Januar 2013 die zu diesem Datum gegründete Firma Cassidian Airborne Solutions GmbH (CAS). Cassidian (EADS/Airbus Group) hatte zuvor 51 Prozent der Anteile der Rheinmetall Airborne Systems GmbH, die zum 1. Juni 2012 aus Rheinmetall Defence Electronics ausgegliedert worden war, übernommen. CAS ist heute eine 100-prozentige Tochter der Airbus Group.


Zu unserem Bildangebot:
1. und 2. Vorbereitungen beim Einsatzgeschwader Mazar-e Sharif für den Start einer Heron-Drohne. Die Aufnahmen entstanden im August 2012 während des Einsatzes des 29. Deutschen Kontingents im Regionalkommando Nord.
(Fotos: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

3. Das Hintergrundbild unserer Infografik zeigt eine Aufklärungsdrohne Heron beim Start vom Flugplatz in Mazar-e Sharif im Jahr 2013.
(Foto: Sebastian Wilke, Infografik © mediakompakt 09.14)


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