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Hamburg/Potsdam. Die Frage nach Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit deutscher militärischer Auslandseinsätze ist so einfach nicht zu beantworten. Susanne Kastner beispielsweise, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, erinnerte vor Kurzem daran, dass das Parlament seit 1999 bereits 13 Mal das Mandat der Bundeswehr für den Kosovoeinsatz verlängert habe. „Auch 14 Jahre später ist diese Mission noch nicht beendet, der Auftrag leider immer noch nicht abgeschlossen“, kritisierte Kastner. Im August 2013 befanden sich rund 5700 deutsche Soldatinnen und Soldaten in insgesamt zehn Auslandseinsätzen und vier weiteren Unterstützungsmissionen. Antworten zu Sinn und Zweck ihres Dienstes fern der Heimat versucht eine Publikation des Berliner Verlages Duncker & Humblot zu geben, die 2009 erschienen und heute immer noch relevant ist.

Der Band 47 der Verlagsreihe „Sozialwissenschaftliche Schriften“ trägt den schlichten Titel „Auslandseinsätze der Bundeswehr“. Dahinter verbergen sich wissenschaftliche Analysen, Diagnosen und auch Perspektiven, die sich – interdisziplinär – mit den zahlreichen Folgeproblemen dieser Missionen befassen. An dem Sammelband beteiligten sich 15 Autoren verschiedener Fachrichtungen: von der Ethnologin, über Erziehungswissenschaftler, Ökonomen, Pädagogen, Politologen und Rechtswissenschaftler bis hin zu Sozialethikern und Sozialwissenschaftlern.

Die Arbeiten beschreiben und kommentieren den Werdegang der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee, befassen sich mit dem rechtlich-parlamentarischen Rahmen der Auslandsmissionen, beleuchten Probleme im Einsatzalltag und thematisieren auch die oftmals schlimmen Auswirkungen der Einsätze auf die einzelnen Bundeswehrangehörigen.

Ein „multiperspektivisches Konzept“

Der interdisziplinäre Ansatz dieser Gemeinschaftsarbeit überzeugt nachhaltig und ermöglicht es, sich dem äußerst vielschichtigen und oftmals verschlossenen Themenkomplex „Auslandseinsätze der Bundeswehr“ von völlig unterschiedlichen Seiten anzunähern. Die Herausgeber – Sabine Jaberg, Heiko Biehl, Günter Mohrmann und Maren Tomforde – schreiben dazu in ihrer Einleitung: „Die Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlich relevanten Themen, wie im vorliegenden Werk mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr, soll die fachspezifischen Ansätze der jeweiligen Disziplinen verdeutlichen und zu einem ,multiperspektivischen Mosaik‘ zusammenführen.“

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis des Sammelbandes zeigt, dass das Vorhaben „Multiperspektive“ geglückt ist. So beschäftigen sich beispielsweise Sven Bernhard Gareis und Kathrin Nolte mit den politischen und rechtlichen Dimensionen der deutschen Militäreinsätze im Ausland und analysieren dabei die Schwierigkeiten und Widersprüche, unter denen sich der Funktionswandel der Bundeswehr von der Landesverteidigung hin zu einer Interventionsarmee mit globalem Einsatzradius seit fast zwei Jahrzehnten vollzieht. Vier Thesen zu den Auslandsmissionen unserer Soldatinnen und Soldaten stellt Rudolf Hamann in seinem Beitrag „Im Gleichschritt in die Sackgasse?“ auf. Maren Tomforde fordert, dass die kulturellen Gegebenheiten und Besonderheiten des jeweiligen Einsatzlandes unbedingt bei den Planungen und der Organisation eines Einsatzes berücksichtigt werden müssten.

Zur „Mediatisierung der Sicherheitspolitik“

Mit unterschiedlichen Perspektiven setzen sich die Arbeiten folgender Autoren auseinander: Heiko Biehl und Jörg Keller haben in „Hohe Identifikation und nüchterner Blick“ die Sicht der Bundeswehrsoldaten auf ihre Einsätze untersucht. Maja Apelt befasste sich mit den „Paradoxien des Soldatenberufs im Spiegel des soldatischen Selbstkonzepts“. Claus Freiherr von Rosen betrachtete „Innere Führung und Einsatz aus (der) Perspektive der Pädagogik“. Und Hans-Joachim Reeb analysierte die „Mediatisierung der Sicherheitspolitik“ und kommt, was die Auslandseinsätze der Bundeswehr betrifft, zu keinem erfreulichen Fazit. Er schreibt: „Die Bundeswehr wird mittlerweile in der Berichterstattung fast ausschließlich mit Auslandseinsätzen in Verbindung gebracht. Große mediale Aufmerksamkeit besteht aber meist nur zu Beginn eines neuen Einsatzes und bei außergewöhnlichen Ereignissen … Der Bundeswehralltag, militärische Operationen im Einsatzgebiet und die Rolle des Soldaten bleiben weitgehend in den Berichten ausgeblendet.“ Eine solche Berichterstattung könne sich keinesfalls förderlich auf die Ausbildung einer sicherheitspolitischen Kultur auswirken, beklagt Reeb. Sie sei nicht umfassend und hintergründig genug, um mit der Öffentlichkeit in einen informierten Diskurs zu treten.

Auch wenn diese Gemeinschaftsarbeit bereits gut drei Jahre alt ist, haben die getroffenen Analysen und Diagnosen – ja noch weniger die beschriebenen Perspektiven – an Aussagekraft und Gültigkeit verloren. Was diese Publikation zu einem Thema, das zukünftig eher noch bedeutsamer werden wird, in vielfältiger Form zu sagen hat, ist aktuell. Dies verbürgt die große, in diesem Projekt gebündelte Expertise der Autorinnen und Autoren von der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, von der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg und vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Strausberg (das Institut bildet seit dem 1. Januar 2013 gemeinsam mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr).



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