menu +

Nachrichten



Berlin. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Oberst Ulrich Kirsch, forderte am 4. August in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung einmal mehr die Stationierung deutscher Kampftruppen in Afghanistan auch nach 2014. Er begründete dies mit der Sicherheitslage am Hindukusch, die „einen ängstigen“ könne. Zu der Forderung Kirschs äußerte sich am 5. August während der Regierungspressekonferenz auch Stefan Paris, der Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Kirsch hatte seine Forderung nach einem Verbleib deutscher Kampftruppen in Afghanistan über den 31. Dezember 2014 hinaus schon früher an anderer Stelle geäußert. In einem Interview mit der Rheinischen Post am 7. Januar dieses Jahres hatte der Verbandschef beispielsweise gesagt: „Die Rückverlegung muss gut abgesichert sein. Und dazu werden auch nach 2014 Kampftruppen in Afghanistan benötigt werden. Wir brauchen eine Reserve, die in der Lage ist, auf Krisen zu reagieren.“ Die genaue Größe dieser Reserve lasse sich zwar im Moment noch nicht absehen, hatte Kirsch im Januar erklärt. Er schätze jedoch, dass „ein Größenumfang von einem verstärkten Bataillon, also 600 bis 800 Soldaten, mit Sicherheit nötig sein wird, um jederzeit eingreifen zu können“.

Die Berliner Zeitung zitiert Oberst Kirsch nun mit den Worten: „Zu sagen, wir bräuchten nach 2014 keine Kampftruppe in Afghanistan mehr, mag wahltaktisch schön sein, entspricht aber nicht der Realität.“ Er warnte eindringlich: „Wir brauchen eine solche Kampftruppe auch nach 2014 allemal, um hoch beweglich auf Krisen reagieren zu können, die in dieser wackeligen Sicherheitslage ganz schnell entstehen.“ Die Kampftruppe sei zudem erforderlich, „um gegebenenfalls unsere eigenen Leute herauszuholen. Ohne sie haben wir ein großes Problem.“

Sprengstoffanschläge und schwerer Beschuss

Wie besorgniserregend sich die Lage auch im Norden Afghanistans derzeit entwickelt, zeigen die vergangenen Wochen.

Am 20. Juli kam es im Distrikt Baghlan-e Jadid in der Provinz Baghlan im Rahmen einer „Search and Clear“-Operation der afghanischen Sicherheitskräfte zu einem Feuergefecht. Dabei fielen zwei Angehörige der afghanischen Polizeikräfte, ein weiterer wurde verwundet. An der Operation nahmen rund 700 afghanische Sicherheitskräfte unter Beteiligung deutscher Soldaten im Rahmen des Partnering teil. Im Verlauf der Operation musste ISAF Luftnahunterstützung leisten. Bundeswehrangehörige wurden bei dem Feuergefecht nicht verletzt.

Am 24. Juli wurde etwa sieben Kilometer westlich des Feldlagers Kunduz auf deutsche Kräfte ein Sprengstoffanschlag verübt. Ihr Konvoi befand sich auf dem Marsch zum Polizeihauptquartier Chahar Darreh. Die Soldaten durchstießen die Anschlagstelle und setzten den Marsch unverletzt fort.

Am 5. August kam es auf einer Verbindungsstraße sieben Kilometer westlich des Feldlagers Kunduz erneut zu einem Sprengstoffanschlag auf deutsche Soldaten, die danach auch beschossen wurden. Fünf Bundeswehrangehörige wurden leicht verwundet.

Zwei Tage später, am 7. August, wurden deutsche Kräfte südöstlich des Feldlagers Kunduz während einer Aufklärungspatrouille von etwa acht Aufständischen mit Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen beschossen. Unsere Soldaten erwiderten das Feuer mit Maschinengewehren MG 3, sie blieben unverletzt.

Auch die Rettungskette muss gewährleistet sein

Auf unsere Nachfrage hin präzisierte ein Sprecher des Deutschen Bundeswehr-Verbandes noch einmal den von Kirsch verwendeten Begriff „Kampftruppen“. Dies seien nach dem Verständnis des Verbandsvorsitzenden „Truppen, die das Gefecht führen können“. Für den Afghanistaneinsatz bedeute dies, dass eine Schutzkomponente gebraucht werde, sollten nach 2014 deutsche Soldaten als Ausbilder und Berater im Land verbleiben. Diese Schutzkomponente müsse das gesamte Fähigkeitsspektrum abbilden. „Sie sollte beispielsweise aus Gebirgsjägern oder Fallschirmjägern bestehen, braucht aber natürlich auch Kampfunterstützung durch Lufttransport und andere Truppengattungen. Ebenso muss die Rettungskette gewährleistet sein.“

Begleitung der afghanischen Sicherheitskräfte „auf hohem Niveau“

Auf die Forderung des Deutschen Bundeswehr-Verbandes angesprochen, verwies Ministeriumssprecher Paris in der Regierungspressekonferenz auf die vorläufigen Planungen für die Zeit nach 2014. Es sei beabsichtigt, in einem sogenannten „Speichenmodell“ – wenn dieses denn Realität werden sollte – nach 2014 etwa 600 bis 800 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan zu belassen. Der Auftrag dieser Soldaten werde ein anderer sein, als der bisherige und ausschließlich mit der „Hochwertausbildung“ der afghanischen Sicherheitskräfte zu tun haben. Man habe stets auch deutlich gemacht, so Paris weiter, dass im Rahmen des deutschen Angebots „natürlich eine entsprechende Schutzkomponente für unsere Soldaten vorhanden sein wird“. Hierzu seien auch Bedingungen gestellt worden. Beispielsweise die, in Afghanistan im Verbund mit den Partnern zu arbeiten. Paris wörtlich: „Wir werden nicht allein in Afghanistan verbleiben, sondern im Bereich der NATO-Partner und anderer.“

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums fasste am Schluss mit dem Hinweis „Dies wird kein Kampfeinsatz sein“ noch einmal seine Kernaussagen zusammen: „Wir werden äußerst intensiv im Bereich der Ausbildung und weiteren Begleitung der afghanischen Sicherheitskräfte auf einem sehr hohen Niveau tätig sein. Im Übrigen werden wir natürlich dafür sorgen, dass im Rahmen dieses veränderten Auftrages unsere eingesetzten Kräfte durch eigene wie auch durch andere Kräfte geschützt werden.“

Minister erteilt Bundeswehr-Verband eine Absage

Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière meldete sich mittlerweile zu dem Kirsch-Vorstoß zu Wort. Bei einem Besuch der Panzerbrigade 41 in Torgelow (Mecklenburg-Vorpommern) am 8. August wies er die Forderung nach einem längeren Einsatz von Kampftruppen der Bundeswehr in Afghanistan zurück.


Zu unseren beiden Aufnahmen:

1. Ein deutscher Trupp am Rande einer Verbindungsstraße im Süden der Kunduz-Provinz; das Bild entstand im Mai 2010.
(Foto: PrInfoZ Kunduz/IMZBw-Bildarchiv)

2. Oberst Ulrich Kirsch ist seit 2009 Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehr-Verbandes.
(Foto: DBwV)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN