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Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben aus brisanten Informationen des Militärischen Abschirmdienst (MAD) zu Rechtsextremisten nicht die nötigen Konsequenzen gezogen: Diese Kritik wurde am 29. November von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses bei der Anhörung Karl-Heinz Brüsselbachs geäußert, von 2010 bis 2012 Präsident des Bundeswehr-Geheimdienstes.

Der Untersuchungsausschuss soll Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) angelasteten Mordserie an neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer deutschen Polizistin durchleuchten.

Der MAD habe bereits um das Jahr 2000 erfahren, dass sich das 1998 untergetauchte Jenaer „Bombenbastler-Trio“, aus dem später der NSU wurde, „in Richtung Rechtsterrorismus bewegt“, sagte Unions-Obmann Clemens Binninger. Zudem habe ein V-Mann den Militär-Geheimdienst über Aktivitäten der Jenaer Gruppe beim „Thüringer Heimatschutz“ (THS) unterrichtet und einen Aufenthaltsort des Trios erwähnt. Laut Brüsselbach, dem zu jener Zeit im Verteidigungsministerium die Aufsicht über dem MAD oblag, handelte es sich dabei um Kreta; Binninger meinte hingegen, es müsse um einen „anderen Ort“ gegangen sein. Diese an den Verfassungsschutz weitergeleiteten Erkenntnisse blieben jedoch, wie im Ausschuss moniert wurde, offensichtlich folgenlos. Binninger: „Was nutzen brisante und gute Informationen, wenn sie versanden?“

Ein nicht akzeptables Sicherheitsrisiko

SPD-Sprecherin Eva Högl kritisierte, dass das NSU-Mitglied Uwe Mundlos, der 1994/1995 seinen Wehrdienst ableistete, damals erst Monate nach dem Bekanntwerden von rechtsextremistischem Verhalten vom MAD vernommen wurde. „Das ist zu lange“, räumte Brüsselbach ein. Hätte Mundlos bei seiner Anhörung die von ihm verneinte Frage, ob er als Informant für Sicherheitsbehörden tätig sein wolle, bejaht, so wäre diese Bereitschaft laut dem Zeugen dem Verfassungsschutz für ein eventuelles Anwerbegespräch nach dem Wehrdienst gemeldet worden.

Aus Sicht Högls ist es ein nicht akzeptables „Sicherheitsrisiko“, wenn in der Bundeswehr Rechtsextremisten vom MAD als V-Leute geführt würden. Brüsselbach entgegnete, es würden nur Soldaten angeworben, die sich vom Rechtsextremismus wieder gelöst hätten. Auf eine entsprechende Frage des FDP-Parlamentariers Serkan Tören sagte der Zeuge, es spreche „wenig dafür“, dass Mundlos vom MAD mehrfach vernommen worden sei. Er wolle indes nicht ausschließen, dass er noch vom Verfassungsschutz außerhalb der Kaserne befragt worden sei. Brüsselbach verneinte das von Binninger erwähnte „Gerücht“, der MAD sei am 4. November 2011 in Eisenach gewesen, als dort in einem Wohnwagen die NSU-Mitglieder Mundlos und Böhnhardt tot aufgefunden wurden.

Zeuge bedauert unterlassene Information

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) und andere Abgeordnete kritisierten, dass das Bundestagsgremium erst im September dieses Jahres über die MAD-Vernehmung von Mundlos 1995 unterrichtet worden sei, obwohl dies beim Geheimdienst schon im Februar 2012 bekannt gewesen war. Brüsselbach hatte zwar das Verteidigungsministerium, aber nicht den Ausschuss über die Mundlos-Akte informiert: „Das war nicht angemessen, das bedauere ich aus heutiger Sicht.“

Die Obfrau der Linken, Petra Pau, warf dem Zeugen vor, dass noch nach der Enttarnung des NSU im November 2011 beim MAD Unterlagen zum Thema Rechtsextremismus geschreddert worden seien – etwa zu einer fränkischen Nachfolgeorganisation des „Thüringer Heimatschutzes“, und dies, wo doch das NSU-Trio Kontakte zu Rechtsextremisten in Franken unterhalten habe. Brüsselbach meinte dazu, er habe damals angewiesen, keine Akten mit einem Bezug zum NSU zu vernichten.

Einberufen trotz rechtsextremistischer Haltung?

Grünen-Sprecher Wolfgang Wieland kritisierte, dass in den 1990er-Jahren Soldaten ihren Wehrdienst hätten ableisten können, obwohl sie bei MAD-Befragungen rechtsextremistisch in Erscheinung getreten seien (beispielsweise mit der Äußerung, Hitler sei ein „großer Mann“ gewesen, oder mit der Tätowierung der SS-Parole „Blut und Ehre“). Brüsselbach entgegnete, seither sei „vieles viel besser geworden“. Aber auch in den Neunzigern habe sich der MAD gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr engagiert.

Text: hib KOS



Unser Bild entstand während einer Sitzungspause des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages. Von rechts: Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Klaus-Dieter Fritsche, SPD-Obfrau Eva Högl , Ausschussvorsitzender Sebastian Edathy von der SPD und CDU/CSU-Obmann Clemens Binninger.
(Foto: Achim Melde/ Lichtblick/DBT)


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